Automobilindustrie

50 Jahre Alpina: Von der Schreib- zur Rennmaschine

19. Juni 2015, 15:58 Uhr
Maximilian Keller (vm)
Reifen Autoteile
Die Landschaft der deutschen Autohersteller ist von weltweit erfolgreichen Konzernen geprägt. Klein aber fein ergänzt jedoch noch eine renommierte Marke aus dem Allgäu den Reigen deutscher Automarken: Alpina aus Buchloe. Seit nunmehr 50 Jahren entstehen auf Basis von BMW-Modellen exklusive Fahrzeuge, die Luxus, Leistung und ein hohes fahrdynamisches Potential zu automobilen Genussmitteln verbinden.


Opel, Volkswagen, Ford, Porsche, BMW, Audi oder Mercedes, die Landschaft der deutschen Autohersteller ist von weltweit erfolgreichen Konzernen geprägt. Klein aber fein ergänzt jedoch noch eine renommierte Marke aus dem Allgäu den Reigen deutscher Automarken: Alpina aus Buchloe. Seit nunmehr 50 Jahren entstehen auf Basis von BMW-Modellen exklusive Fahrzeuge, die Luxus, Leistung und ein hohes fahrdynamisches Potential zu automobilen Genussmitteln verbinden. Darüber hinaus steht Alpina für einen der renommiertesten Weinhändler des Landes.

Rund 1.700 Autos entstanden 2014 bei Alpina. Ein bescheidener Beitrag zu den insgesamt 5.907.584 Neuwagen, die 2014 das Signum "Made in Germany enthielten. Das entspricht 24.615 Autos pro Arbeitstag und 3.077 pro Stunde, bezogen auf einen Acht-Stunden-Tag. Entsprechend liegt die Bezeichnung der Tätigkeit bei Alpina auf "Fertigung". Nicht auf: "Vom Band laufen". Die rund 200 Spezialisten bauen die Alpinas auf Basis von Rohkarossen und Komponenten, die BMW liefert, im Wesentlichen in Buchloe von Hand.

Der Name Bovensiepen steht für eine alteingesessene Unternehmerfamilie aus dem Rheinland, mit niederländischen Wurzeln. Der 1936 geborene Burghard Bovensiepen begann bereits 1963 mit dem Tuning eines BMWs. Sein Vater Otto Rudolf Bovensiepen betrieb zu dieser Zeit eine Fabrik für Büro- und Schreibmaschinen in Kaufbeuren, mit dem Namen Alpina.

Der Erfolg von Alpina ist eng mit jenem Modell verbunden, das auch BMW das Überleben als eigenständige Marke gesichert hatte. Im Rahmen der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt hatten die Münchner 1961 den 1500 vorgestellt. Die sogenannte "neue Klasse" überzeugte auf Anhieb mit ihrer modernen Stufenheckkarosserie und dem revolutionären neuen Vierzylinder, der seine Karriere in der Serie mit 59 kW/80 PS begann.

Mit dem 1500 schlug quasi die Geburtsstunde der kompakten sportlichen Limousine. Schnell formulierten die engagierten Fahrer mit Blickrichtung auf die Leistung den Ruf: Es darf gerne ein bisschen mehr sein! Dieser Ruf traf auf die Ohren des vom Rennbazillus befallenen Unternehmersohns Burghard Bovensiepen. Der hatte schnell das Potential erkannt, das in dem Vierzylinder schlummerte. Schließlich brachte es das Triebwerk mit Graugussblock, Leichtmetallkopf und einer obenliegenden Nockenwelle mit Turbolader 1980 in der Formel 1 auf 1.029 kW/1.400 PS.

Bovensiepen leistete klassische Tuner-Arbeit. Er schärfte die Nockenwelle des 1500er, rüstete die Gemischaufbereitung auf zwei Doppelvergaser des italienischen Spezialisten Weber um und lupfte somit die Leistung locker auf eine dreistellige PS-Zahl. Ab Juni 1965 firmierte Bovensiepen als selbstständiger BMW-Tuner in den väterlichen Produktionsstätten. Die Produkte errangen schnell Kultcharakter, zumal sich die überarbeiteten Motoren der gleichen Zuverlässigkeit erfreuten, wie Serienprodukte aus München. Alpina stand dafür mit der uneingeschränkten Werksgarantie.

Unter den kundigen Händen der Allgäuer erstarkte der BMW 2002 tii zu Beginn der Siebziger um 60 PS auf 140 kW/190 PS. Eine Literleistung von 95 PS setzte damals Maßstäbe und sorgte in seiner Klasse für konkurrenzlose Fahrleistungen. Mit einer Beschleunigung aus dem Stand auf 100 km/h in sieben Sekunden und einer Höchstgeschwindigkeit von knapp 220 km/h ließ der 1.100 Kilogramm leichte BMW 2002 tii ALPINA so manchen renommierten Sportwagen hinter sich.
Alpina kümmerte sich jedoch nicht nur um stärkere Motoren. Schnell gewannen die Fahrzeuge einen eigenständigen Charakter. Sie erhielten der Leistung angepasste Fahrwerke und exklusive Innenausstattungen. Grün und Blau avancierten zu den Hausfarben und die unverwechselbare Leichtmetallfelge im Alpina-Speichendesign zählt seit Jahrzehnten zu den gefragten Klassikern.

Burkard Bovensiepen war als Techniker gleichermaßen erfolgreich wie als Unternehmer. Nicht zuletzt gewinnträchtige Aktiengeschäfte ließen das Unternehmen bis 1970 bereits auf 70 Mitarbeiter wachsen. Das sprengte die Kapazitäten in Kaufbeuren, sodass Alpina an den heutigen Standort Buchloe zog. Was Burghard Bovensiepen anfasste, war von Erfolg gekrönt. Ob im Rennsport bei den Tourenwagen, wo Alpina 1970 die europäische Tourenwagenmeisterschaft gewann, bis zum Fahrzeugbau, der seit 1983 beim Kraftfahrtbundesamt als eigenständiger Hersteller firmiert.

Sogar sein Hobby verstand Bovensiepen in eine erfolgreiche Geschäftsidee umzuwandeln. Der passionierte Sammler und profunde Kenner von Weinen hatte die motorsportlichen Aktivitäten in den Siebzigern quer durch Europa genutzt, besonders zu renommierten Weingütern in Italien und Frankreich persönliche Kontakte zu schließen. Anfang der Achtziger, reifte bei Burkhard Bovensiepen die Erkenntnis: "Ich schaffe es nicht, meinen Weinkeller zu leeren, selbst wenn ich hundert Jahre als werde." Somit entstand der Weinhandel, der immer noch auf den exklusiven persönlichen Kontakten basiert, praktisch alle Top-Gastronomen als Kunden listet und rund 20 Prozent zum Jahresumsatz beisteuert, der 2014 auf 90 Millionen Euro geklettert war.

Im Alltagsgeschäft haben längst die beiden Söhne Andreas und Florian Bovensiepen das Ruder übernommen. Die Höhepunkte der Fahrzeugproduktion nur stichwortartig zu benennen, würde jeden Rahmen sprechen. Zu Bovensiepen persönlichen Favoriten zählt der Alpina B 10 Bi-Turbo, der 1989 auf Basis des BMW 535i erschien und mit 265 kW/360 PS entspannte 290 km/h Höchstgeschwindigkeit erreichte. Als damals schnellste Serienlimousine der Welt. Legendären Ruf genoss in den Neunzigern der Alpina B12. Die Allgäuer Interpretation der BMW Siebener-Reihe mit Sechsliter-V12, der zwischen 1999 und 2001 316 kW/430 PS mobilisierte. Im aktuellen Produktportfolio markiert der Alpina B6 Bi-Turbo die Position des Topmodells. Auf Basis des Sechser Gran Coupé, mit 441 kW/600 PS.

Obwohl Alpina auf Exportmärkten wie Japan, oder im Mittleren Osten erfolgreich ist, pflegt der kleine deutsche Hersteller als solidestes Standbein den heimischen Markt. Rund 600 Alpina fanden 2014 einen einheimischen Kunden.

Maximilian Keller

Der Artikel "50 Jahre Alpina: Von der Schreib- zur Rennmaschine" wurde am 19.06.2015 in der Kategorie News von Maximilian Keller (vm) mit den Stichwörtern Automobilindustrie, Historie, Tuning, News, veröffentlicht.

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