Fahrbericht

Test Audi Prologue - Vorspiel in den Straßen von Hollywood

24. November 2014, 12:46 Uhr
Benjamin Bessinger/SP-X
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Normalerweise hat hier für Autos keiner ein Auge. Wer auf dem Rodeo Drive unterwegs ist, der ist am Shoppen oder schaut nach Stars. Doch was ist schon normal, wenn man mit dem Audi Prologue unterwegs ist. Schließlich ist das kein Audi wie er hier zu tausenden durch die Traumfabrik fährt, sondern ein Einzelstück, das nur für die LA Autoshow gebaut wurde.

Bentley, Rolls-Royce, Ferrari und immer mal wieder sogar ein Bugatti: Die Jungs vom Valet-Service des noblen SLS-Hotels in Beverly Hills kann man nicht so leicht beeindrucken. Doch bei diesem Auto verschlägt es sogar ihnen die Sprache. Denn das, was da silbern und stylish zum Schaulaufen durch Hollywood startet, haben auch sie noch nicht gesehen: Nur zwei Tage nach ihrer Weltpremiere auf der LA Autoshow schickt Audi die Designstudie ,,Prologue" zur Testfahrt über den Boulevard der Eitelkeiten und macht das Showcar sogar vollends zum Showstar.

Im Konvoi mit zwei Streifenwagen der Beverly Hills Cops, deren gewaltige Lichtorgeln wunderbar bunte Reflexe auf den schillernden Lack zaubern, schwimmt der riesige Silberfisch deshalb wie selbstverständlich durch den Verkehr auf der 3rd Avenue, dem Wilshire Boulevard oder dem legendären Rodeo Drive und lässt die Speicherkarten der Fotohandys überquellen. Wo der Prologue auftaucht, recken sich ihm Kameras entgegen und kaum steht er mal zwei Minuten still, ist er schon umringt von einer Menschentraube- so müssen sich Hollywoodstars fühlen, wenn sie einfach nur mal kurz nach Downtown zum Shoppen gehen.

Das Erlebnis ist geisterhaft und unwirklich. Aber das Auto macht einen ausgesprochen realen, gegenwärtigen Eindruck. Obwohl der Prologue nur eine Studie ist, steht das 5,10 Meter lange Coupé ganz im Hier und Heute. Kein Wunder: Schließlich wollte der neue Designchef Marc Lichte keine ferne Vision skizzieren und unrealistische Traumbilder malen. Der Prologue soll ganz konkret und vor allem glaubhaft auf die neue Designsprache einstimmen, die Audi so bitter nötig hat: ,,Wir sind verwechselbar geworden", erklärt Lichte und will der Marke wieder mehr Charakter und den einzelnen Modellen mehr Charisma geben: Das Ende des Einerleis ist nah, so soll man seine Botschaft interpretieren.

Dabei setzt Lichte auf ein paar wenige Grundformen, die er im Prologue eindrucksvoll inszeniert hat: Es bleibt bei einer ganz klaren, reduzierten Linienführung, die Proportionen werden noch wichtiger und sollen mit ihrer Ausgewogenheit das ausbalancierte Ideal vom Quattro-Antrieb visualisieren. Leichtbau wird auch optisch zum Leitmotiv und selbstredend soll ein Audi immer schnell und sportlich aussehen. Ach ja, und der Single-Frame-Grill bleibt natürlich auch, weil er mittlerweile zum Gesicht von Audi geworden ist. Erst dieser Kunstgriff von Walter da Silva habe Audi vor genau zehn Jahren auf eine Ebene mit BMW oder Mercedes gehoben, die ihre Front über ein ganzes Jahrhundert kultivieren konnten. ,,Aber er wird für jede Baureihe stärker variiert und geht deutlich in die Breite", verspricht Lichte und muss die Arme schon ganz weit machen, wenn er den Kühler der Studie fassen will.

Zwar zählen im Showgeschäft vor allem die Äußerlichkeiten, erst recht hier in Hollywood, wo selbst die glänzendsten Fassaden oft nur billige Kulissen sind. Doch beim Prologue lohnt auch der Blick auf die inneren Werte. Denn auch da hat Audi einen Ruf zu verteidigen. Bei Materialanmutung, Präzision und Wertigkeit lange Jahre einsam an der Spitze, haben die Bayern ihre Konkurrenz mittlerweile nah heran kommen lassen. Und mit aktuellen Interieurs wie von S- oder C-Klasse ist Mercedes vielleicht sogar an ihnen vorbei gezogen. Doch mit dem Prologue katapultiert Lichte seinen neuen Arbeitgeber wieder an die Spitze: Aufs Allernötigste reduziert und genau wie beim Frontdesign bis hinein ins Lenkrad so betont in die Breite gezogen, fühlen sich die Passagiere wie in einem riesigen Kinosaal und schauen auf Touch-Displays, die hinter dem Klavierlack der Konsolen fast verschwinden.

Schon der Blick ins digitale Cockpit mit dreidimensionaler Tiefenwirkung hat fast hypnotische Qualitäten. Aber wenn sich nach dem Druck auf den Startknopf vor dem mächtigen Wählhebel der Achtstufen-Automatik in einer spektakulären Inszenierung ein weiteres, biegbares Touchdisplay auf einer OLED-Folie aus dem Mitteltunnel heraus wölbt, fühlt man sich wie Captain Future und will kaum glauben, dass so etwas womöglich schon in drei, vier Jahren in Serie gehen könnte.

Dieses ungläubige Gefühl lässt sich auch während der ersten Ausfahrt nicht abschütteln. Denn der Prologue sieht nicht nur so aus, als könne er morgen, na ja, übermorgen tatsächlich auf die Straße kommen. Er fährt auch beinahe so. Natürlich sind Federung und Lenkung noch ein bisschen fragil, so dass die Begleitmannschaft immer ein bisschen nervös wird, wenn sich auf den überraschend schlechten Straßen in Hollywood mal wieder eine besonders große Scharte in den Weg legt. Die Elektronik im Gaspedal hat noch ein paar Macken. Von der Handlichkeit der fiktiven Allradlenkung ist noch wenig zu spüren, weil die imposanten 22-Zöller mit ihren 285er Pellen bei einem allzu weiten Lenkradeinschlag in den fast wollüstig weit ausgestellten Radhäusern schleifen könnten.

Der Sprint von 0 auf 100 in 3,7 Sekunden verbietet sich in der Rushhour in Hollywood von selbst. Ob das 48-Volt-Bordnetz und der Riemengenerator mit seiner Rekuperationsleistung von bis zu 12 kW den Verbrauch des Mild-Hybriden tatsächlich auf 8,6 Liter drückt, interessiert hier keinen Menschen. Und man muss den Cops nur ins strenge Gesicht schauen um zu wissen, dass man zumindest in ihrem Revier nie erfahren wird, ob der Prologue tatsächlich die 320 Sachen schafft, die auf dem Tacho stehen.

Doch aufgebaut auf der verkürzten Plattform eines aktuellen A8 und angetrieben von einem 4,0 Liter großen V8 mit 605 PS und 750 Nm, der ganz ungeniert und ohne lästigen Schallschutz den ganzen Resonanzraum seiner Abgasanlage nutzt und daraus ein wunderbar wohliges Bollern, Blubbern und Brüllen zaubert, fühlt sich der feudale Viersitzer an, als hätten hunderte Entwickler schon ein, zwei Jahre lang daran gearbeitet. Dabei hat ihn ein kleines Team beinahe bei Nacht und Nebel auf die Räder gestellt. ,,Vor sieben Monaten gab es nur ein paar Skizzen und noch vor vier Monaten hatten wir nicht mehr als ein Ton-Modell", sagt Lichte und wirkt dabei noch immer ein bisschen atemlos, so schnell hat die Mannschaft von Design und Prototypenbau die Studie vorangetrieben. Auch das ist ein Beweis dafür, wie ernst es Audi mit der Erneuerung ist. Schade nur, dass es mit der Serienumsetzung dann nicht mehr ganz so schnell geht. Denn bis der Prologue ein Nachspiel hat und aus ihm der neue A8 wird, dauert es noch knapp zwei Jahre.  Aber auch diese Botschaft kennt man von Hollywood: Fortsetzung folgt.

Der Artikel "Test Audi Prologue - Vorspiel in den Straßen von Hollywood" wurde am 24.11.2014 in der Kategorie Fahrbericht von Benjamin Bessinger/SP-X mit den Stichwörtern Audi Prologue, Test-Bericht, Pressevorstellung, Test, Bericht, Kurztest, Vorstellung veröffentlicht.

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