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Kommt der Heckmotor wieder?

18. November 2014, 12:20 Uhr
Markus Gersthofer
Der neue Renault Twingo und seine Parallele Smart Forfour lassen die alte Diskussion über die zweckmäßigste Einbaulage des Motors wieder aufleben: vorn mit Vorderradantrieb, vorn mit Hinterradantrieb? Oder sitzt der Motor besser im Heck? Und was ist mit einem Mittelmotor, was mit Allradantrieb? Jede dieser Bauformen hat ihre spezifischen Vor- und Nachteile.

Der neue Renault Twingo und seine Parallele Smart Forfour lassen die alte Diskussion über die zweckmäßigste Einbaulage des Motors wieder aufleben: vorn mit Vorderradantrieb, vorn mit Hinterradantrieb? Oder sitzt der Motor besser im Heck? Und was ist mit einem Mittelmotor, was mit Allradantrieb? Jede dieser Bauformen hat ihre spezifischen Vor- und Nachteile. Diese sind schon lange bekannt, sie prägen die Autos in ihrer heutigen Bauform. Doch Neuentwicklungen wie das Duo Twingo/Forfour mit ihrem ultrakompakten Dreizylinder könnten neue Akzente setzen.

Der Motor ist für viele mehr als die Antriebsquelle ihres Wagens. Er ist das Herz, er bestimmt ganz wesentlich Form, Platzangebot, Fahrleistungen und -eigenschaften, den ganzen Charakter. Je mehr sich der Fahrer verbunden fühlt mit seinem Auto, desto mehr Emotionen löst er aus: ein 911 mit Frontmotor - niemals. Und ein M3 mit Heckmotor? Nein, danke.

Am Anfang stand die Pferdekutsche. Der nahmen Karl Benz und Gottlieb Daimler die Deichsel weg und bauten ihre Motoren ein - an der Hinterachse. Die Sitze blieben hoch oben auf der Kutsche mit ihren riesigen Rädern. So fuhren im Prinzip die ersten Autos von 1886 bis 1902. Da erschien der von Wilhelm Maybach geschaffene Mercedes-Simplex. Er sollte den Automobilbau nachhaltig verändern: Die Räder wurden viel kleiner und erhielten Luftreifen, Motor und Getriebe rückten nach vorn über die Vorderachse, eine Kardanwelle trieb die Hinterachse an. Und die Sitze kamen auf den tiefen Boden zwischen die Achsen.

Maybachs Geniestreich beherrscht noch heute die großen Autos. Als wichtigster Vorteil der klassischen Bauweise gilt, dass die Vorderräder allein das Lenken übernehmen müssen, die hinteren allein den Antrieb. Die Achsen können für die jeweilige Aufgabe optimiert werden. Gasgeben oder -wegnehmen beeinflusst nicht (oder nur wenig) das Verhalten in der Kurve. Und nur dies garantiert ,,Freude am Fahren" (so ein alter BMW-Slogan).

Die Münchener indes werden ihrem alten Slogan heute selbst untreu, denn diese klassische Bauform ist eigentlich die schlechteste von allen. Der längs eingebaute Motor samt Getriebe dahinter beansprucht bis zu einem Drittel der gesamten Wagenlänge - bei Sportwagen wie dem berühmten E-Type von Jaguar mit seiner ellenlangen Motorhaube sogar bald die Hälfte. Die zur Hinterachse führende Kardanwelle erfordert einen störenden Tunnel in Wagenmitte. Der Mitfahrer hinten in der Mitte weiß nicht recht, wohin mit seinen Füßen, das dünne Polster beschert ihm zusätzlich herben Sitzkomfort.

Wichtiger: Der schwere Antriebsblock ruht auf den Vorderrädern, angetrieben werden aber die wenig belasteten Hinterräder. Generationen von Fahrern legten im Winter Bleiplatten in den Kofferraum, um besser durchzukommen. Besonders ökonomisch ist das nicht. Der Nachteil besteht im Prinzip noch heute, er wird höchstens durch moderne M+S-Reifen und die in heutigen ESP-Systemen stets enthaltene Antriebs-Schlupf-Regelung (ASR) entschärft.

Bleiplatten werden unnötig, wenn das Auto selbst für die nötige Belastung der Antriebsachse sorgt - durch Frontantrieb oder durch einen Heckmotor. Letzterer ist untrennbar mit dem VW Käfer verbunden. Es gab ihn schon früher, aber dieser Käfer wurde ab den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts so erfolgreich, dass zahlreiche Modelle überall auf der Welt ihn als Vorbild nahmen - von diversen Renault (4 CV/Dauphine/8/Floride) bis zum russischen Saporoshez, vom Fiat 500/600/850/126 bis zum Chevrolet Corvair - letzterer amerikanisch-üppig mit sechs Zylindern, aber mit Luftkühlung wie beim Vorbild. Heckmotorautos sind heute noch berühmt für ihre Wintertalente. Die Porsche-Sportwagen glänzen gleichfalls mit ihnen - stammen freilich, auch wenn es heute keiner mehr sagt, in ihrer Bauform noch immer von eben diesem Käfer ab.

Nachteile in der Raumausnutzung (kleiner zerklüfteter Kofferraum vorn, zu besichtigen bei Porsche) und bei den Kurveneigenschaften mussten in Kauf genommen werden. Piloten von Käfern und von frühen starken 911-Modellen brauchten Übung, das in schnellen Kurven durch die hohe Hinterachslast nach außen drängende Heck einzufangen. Heute wird die Übersteuertendenz vom ESP gezähmt.

Ende der 1970er-Jahre sank der Stern des Käfers. 1973 erschien der Golf - und schwang sich seinerseits alsbald zum Weltmeister auf. Mit der Folge, dass nunmehr sein Konzept weltweit als Vorbild diente: Frontantrieb. Er sorgt im Schnee für ähnliche Zugkraft wie der Heckmotor. Vor allem aber bedeutet er einen Quantensprung in der Raumausnutzung. Motor und Getriebe hausen kompakt unter der vorderen Haube. Sie machen sich besonders klein, wenn sie quer installiert sind, das Getriebe also neben dem Motor liegt. Oder darunter, wie seit 1959 beim britischen Mini praktiziert. Es gibt keine Kardanwelle und mithin keinen störenden Tunnel für sie. Und unter der hinteren Haube öffnet sich frei von störender Technik ein großer Kofferraum - der sich oft genug durch Umlegen der Rücksitzlehne zu einem Laderaum fast wie in einem Kombi erweitern lässt.

Der moderne Kompaktwagen war damit geboren. Er setzte sich auch deswegen durch, weil zur selben Zeit endlich Vorderradantriebswellen herangereift waren, die ein Autoleben lang keine Probleme bereiten. Die ersten populären Fronttriebler etwa von DKW oder in Form des Citroen 11 CV sind in Oldtimerkreisen diesbezüglich heute noch ein Pflegefall. Inzwischen sorgen auch moderne Radaufhängungen dafür, dass die Vorderräder Lenken und Antreiben selbst bei starken Motoren gleichzeitig verkraften - vor allem seitdem ESP die frühere Neigung zum Untersteuern unterdrückt.

Frontantrieb ist für Kleinwagen selbstverständlich, auch für etliche Mittel- und sogar für einige Oberklassemodelle. Klassische Bauweise mit dem Motor vorn und dem Antrieb hinten findet sich in großen Limousinen und in besonders sportlichen Autos. Heckmotoren sind eine Spezialität der Sportwagen von Porsche. Mittelmotoren, auch ein Sonderfall, sind gedacht für exakt gleiche Gewichtsverteilung auf Vorder- und Hinterachse in zweisitzigen Hochleistungsautos - die aber, Musterbeispiel BMW, auch Modelle mit Frontmotor und Hinterradantrieb erreichen können. Auch Allradantrieb ist zumindest in den wohlfeilen Klassen ein Spezialfall. Er lässt sich am leichtesten bei längs eingebauten Frontmotoren realisieren, Porsche indes führt sogar vom Heckmotor eine Welle nach vorn.

Die geschilderten Verhältnisse bestehen seit Jahrzehnten. Vielleicht nicht mehr lange: Renault Twingo und Smart Forfour erscheinen erstmals wieder mit Heckmotor. Sie könnten neue Akzente setzen. Der Trick bei ihnen besteht darin, den (als Dreizylinder ohnehin kompakten und natürlich quer eingebauten) Antriebsblock nicht mehr senkrecht, sondern stark geneigt einzubauen. Seine Nebenaggregate wurden zudem so um ihn herum gefaltet, dass der komplette Block oberhalb der Hinterachse Platz findet, sozusagen im Untergeschoss des Kofferraums. Der liegt im gewohnten Format (219 Liter) über dem Motor. Die Rücksitzlehnen lassen sich wie üblich umlegen, wodurch der Stauraum auf 980 Liter wächst. Und, besonders pfiffig, auch die Beifahrerlehne lässt sich flach legen: Dann passt sogar ein Kontrabass in den Twingo, selbst wenn er mit 2,30 Metern mehr als mannshoch ist. Vorarbeit für die neue Anordnung leistete der erste Smart Fortwo, der freilich als Zweisitzer in einer anderen Liga spielt.

Der im Heck konzentrierte Triebsatz wurde konsequent genutzt, die gesamte Karosserie neu einzuteilen. Mit 3,69 Metern wurde sie gegenüber dem Twingo-Vorgänger um zehn Zentimeter gekürzt - für leichtes Parken gewiss kein Nachteil. Der Radstand aber wurde 13 Zentimeter länger (2,49 m). Die vordere Haube (unter der sich nur einige Flüssigkeitsbehälter befinden) ist viel kürzer als gewohnt. Der ganze Passagierraum konnte sich ein Stück nach vorn ausdehnen. Um genau 33 Zentimeter, sagt Renault - so viel mehr Länge gibt es vom Armaturenbrett bis zur Heckklappe. Sie kommt der Kniefreiheit auf den beiden hinteren Sitzen zugute und dem Kofferraum. Für einen nur gut dreieinhalb Meter langen Kleinstwagen bieten der neue Twingo und sein Technik-Bruder Smart Forfour tatsächlich überdurchschnittlich viel Innenraumlänge.

Um an den Heckmotor zu gelangen, muss erst der Kofferraumboden ausgebaut werden (nach dem Lösen von sechs Schrauben). Er ist auch dann weniger gut zugänglich als in der üblichen Position vorn. Was desto weniger eine Rolle spielt, je seltener am Motor gearbeitet werden muss - wie es bei modernen Autos ja sein sollte. Wird das Triebwerk abgestellt, kriecht seine Wärme nach oben in den Kofferraum. Man sollte vielleicht nicht gerade Butter in ihm befördern. Was der Autor einmal in einem Porsche 914 mit ähnlicher Architektur tat - mit im wahrsten Sinn des Wortes vernichtendem Ergebnis. Dafür bietet der Heckmotor in Forfour und Twingo noch einen Vorteil: Die Vorderräder lassen sich ohne Rücksicht auf Antriebswellen viel stärker einschlagen. 8,6 Meter Wendekreis ermöglichen U-Turns in einem Zug auch in vielen engen Stadtstraßen.

Vielleicht leiten Smart und Renault tatsächlich eine Renaissance des Heckmotors ein. Der Wettbewerb jedenfalls wird die neue Bauform intensiv studieren. Man könnte sich vorstellen, dass auch Kostenüberlegungen für sie sprechen. Volkswagen, man erinnert sich, untersuchte für den Up ursprünglich auch einen Heckmotor. (ampnet/fer)

Der Artikel "Kommt der Heckmotor wieder?" wurde am 18.11.2014 in der Kategorie News von Markus Gersthofer mit den Stichwörtern Heckmotor, News, veröffentlicht.

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