Mit Versicherungskennzeichen, Rückspiegel und Hupe auf dem E-Bike? Ja, das muss in diesem Fall sein, denn bei S-Pedelecs sind diese Zutaten gesetzlich vorgeschrieben. Dafür unterstützt das Sport- und Alltagsgefährt die Tretbewegungen des Piloten auch bis 45 km/h. Der Motor-Informations-Dienst (mid) hat das anhand des Zell GT des oberbayerischen Herstellers M1 Sporttechnik intensiv ausprobiert.
Eines gleich vorweg: Wer glaubt, auf einem S-Pedelec endgültig jegliche Tretarbeit einstellen zu können, der irrt fundamental. Denn wie bei "normalen" Pedelecs, deren Motor bis 25 km/h mitschiebt, geht auch bei der S-Version nichts ohne Strampeln. Je mehr Kraft der Mensch im Sattel aufbietet, desto mehr steuert auch der Brose-Motor zu. Bis zu 90 Newtonmeter (Nm) Drehmoment sind im Idealfall abrufbar, damit lässt sich schon was anfangen.
Wenn es steil bergauf geht, bringt das S-Pecelec keine Vorteile gegenüber gleich starken E-Bikes ohne S: Man muss sich auch auf ihm ordentlich anstrengen. Die Stunde des S-Zell schlägt in der Ebene. Da saust der Mensch im Sattel seinen Begleitern fast mühelos davon, wird allenfalls von der doch recht kurzen Übersetzung der Shimano-XT-Kettenschaltung mit zehn Gängen limitiert: Bei 45 km/h, also wenn die E-Maschine ihre Arbeit einstellt, tritt man in einem Tempo, das an Lance Armstrong bei der Zieleinfahrt erinnert.
Eine klare Empfehlung ist das schnelle Zell für alle, die einige Kilometer zwischen Wohnung und Arbeitsplatz zurücklegen müssen und nicht unbedingt verschwitzt im Büro ankomen wollen. Sie sind sehr flink unterwegs und können dank Gepäckträger auch noch die Aktentasche gut verstauen. Die für S-Pedelecs vorgeschriebene Beleuchtung (Busch & Müller IQ-X) entpuppt sich im Falle des Zell als wahre Photonen-Kanone, die den Weg ausgezeichnet ausleuchtet und, falls sie nicht richtig eingestellt ist, Entgegenkommende ernsthaft blendet. Und die erwähnte Hupe? Sie ist derart laut, dass empfindlichen Verkehrsteilnehmern in der Nähe kurzfristig das Herz stehenbleiben kann.
Eine Besonderheit des Zell ist sein aus Karbon gefertigter Hardtail-Rahmen, eine Spezialität der Oberbayern. Der ist nicht nur sehr stabil, sondern auch leicht und dazu schick. Motor und Batterie sind integriert. Dabei sitzt der 492-Wh-Akku verborgen im nicht gerade zierlichen Unterrohr.
Die Mini-Tastatur zur Wahl der gewünschten Unterstützungsstufe ist beim Zell an der rechten Lenkerhälfte platziert. Zusammen mit dem Shimano XT RapidFire-Schalthebelpaar und der Bremse geht es hier ein wenig eng zu, daran muss man sich erst gewöhnen. Netter Gag: Auf dem kleinen Display lässt sich auch der vom Fahrer eingebrachte Kraftaufwand anzeigen. Das weckt den Ehrgeiz, bei Steigungen zumindest 200 oder 250 Watt dazu zu steuern. Bis zu 250 Watt kommen vom Motor.
Und die Reichweite? Die hängt ganz vom Engagement des Fahrers ab. Wer sich kräftig helfen lässt, kommt je nach Topografie 60 bis 80 Kilometer weit. Wer öfter mal den E-Motor abschaltet, was dank wenig Widerstand im Antriebsstrang sehr gut möglich ist, kann auch nach 150 Kilometern noch ordentlich Saft im Akku haben.
Schwalbe-Reifen (gerne auch mit Straßenprofil), Fox Float-Gabel, hydraulische Scheibenbremsen von Magura - sämtliche Komponenten des Zell sind hochwertig und versprechen eine lange Lebensdauer. Sie sorgen zusammen mit einer gelungenen Geometrie und mit hoher Stabilität für ein sicheres Fahrgefühl - und jede Menge Spaß beim Dahinflitzen. Ganz billig ist das Vergnügen mit dem 22-Kilo-Gerät erwartungsgemäß nicht. Die Basisversion des Zell GT kostet 5.309 Euro, angeboten wird es in zwei Rahmengrößen, wahlweise mit fixer und absenkbarer Sattelstütze (309 Euro). Übrigens: Die Pedelec-Version ist exakt 200 Euro billiger.
Rudolf Huber / mid
Der Artikel "Zell GT: S-Pedelec mit Karbon-Rahmen" wurde am 19.10.2020 in der Kategorie News von Rudolf Huber mit den Stichwörtern Pedelecs, S-Pedelec, Praxistest, Zweirad, Test, E-Bike, News, veröffentlicht.