Test: Riese & Müller Carrie

Test: Riese & Müller Carrie - Tolle Kiste

14. August 2024, 14:20 Uhr
Mario Hommen/SP-X 18
18Test: Riese & Müller Carrie	 - Tolle Kiste
Mit dem neuen Carrie bietet Riese & Mller ein knapp ber zwei Meter langes, kompaktes und vielseitig nutzbares E-Lastenrad an Foto: SP-X/Mario Hommen
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Seit einigen Jahren erfreuen sich kompakte Lastenräder wachsender Beliebtheit. Auch Riese & Müller reagiert auf den Trend und bietet ein erfreulich kleines Long-John-Modell, das vielseitig nutzbar ist und sich außerdem noch sehr gut fährt.

Lastenräder sind in Deutschland mittlerweile Massenphänomen. In engen Innenstadtquartieren werden sie deshalb auch zum Problem, denn hier mangelt es oft an einer großzügig dimensionierten Radweg-Infrastruktur wie auch am Platz, die raumgreifenden Kolosse zu parken. Ein Auto ersetzen, ohne dabei einen Verkehrsraum eines Autos zu beanspruchen - dieser Spagat gelingt dem neuen Carrie von Riese & Müller. Es gehört zum stark wachsenden Segment der Kompakt-Cargos. Neben dem praktischen Format kleiner Lastesel bietet das rund zwei Meter lange Long-John einige bemerkenswert durchdachte Detaillösungen, Spitzenqualität und Fahreigenschaften, die dem Nutzer oft ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Zugegeben, das klingt jetzt fast wie Werbung. Doch derart stimmig und smart erlebt man Pedelecs mit extraviel Platz für Gepäck nur selten. Basis des Carrie ist ein Rohrrahmen, der auf Kanten, Ecken und Verarbeitungsnachlässigkeiten verzichtet. Er bildet das stabile Fundament, das im Fahrbetrieb allerdings nie mit übertrieben starrer Härte nervt. Ebenfalls für Entspannung auf grobem Straßenbelag sorgen voluminöse Reifen und eine Federgabel am Vorderrad. Zwischen Lenker und Vorderrad geht der Rahmen in die Breite und hinterlässt eine große Lücke, die von einer Verlängerung des Lenkers flankiert und der Transportbox gefüllt wird. In unserm Fall war die Flex-Box montiert, für die allerdings 400 Euro Aufpreis aufgerufen werden.

Die Flex-Box fällt recht kompakt aus, weshalb das Carrie weder mit Überlänge geschweige denn hinderlicher Breite nervt. Die seitlichen Außenpunkte markiert der Lenker. Der aus oberflächlich weichem und in sich stabilem Recycle-Kunststoff gefertigte Kofferraum ist ein Highlight. Unter anderem, weil es sich nicht um eine Hinterhofwerkstatt-Bastellösung aus Sperrholz, sondern um eine wertig und solide gemachte Kunststoffwanne mit mehreren Talenten handelt. Im Normalzustand bleibt sie geschlossen und schmal. Ladegut ist dann vor Regen und Blicken einigermaßen sicher, zudem lassen sich die beiden ineinandergreifen Deckelhälften abschließen. Darunter ist Platz für eine Getränkekiste oder einen mittelgroßen Rucksack. Wird mehr Stauraum benötigt, etwa für den Transport eines Wocheneinkaufs, lassen sich die Deckelhälften aufklappen, wodurch die Laderaumöffnung deutlich wächst. Bei der aufgeklappten Transportkiste rasten die Seitenteile ein und machen sie stabil. Will man sie wieder einklappen, muss man beidseitig jeweils eine Textilschlaufe ziehen. Die Flex-Box macht ihrem Namen jedenfalls alle Ehre.

Zumal unser Testrad mit einer Kindersitzbank mit zwei Fünfpunktgurten ausgestattet war. Diese herauszunehmen bzw. wieder einzusetzen ist etwas fummelig. Sie kann auch in der Box bleiben und diese weiterhin mit etwas Stauraumeinbußen als Kofferraum genutzt werden. Allzu groß sollte der junge Nachwuchs nicht sein, denn in der erweitern Flex-Box sind die Platzverhältnisse für lebende Fracht nicht gerade üppig. Ergänzen lässt sich das Kindergarten-Taxi übrigens noch um ein 200 Euro teures Verdeck, das vor Wind, Regen und Sonne schützt.

Wichtig beim Lastenrad sind natürlich die Gewichtswerte. 35 Kilo wiegt das Carrie selbst, 200 Kilogramm Gesamtgewicht sind zulässig. Der Fahrer darf dabei bis 110 Kilogramm wiegen. Selbst wenn der Nutzer an dieses Limit heranreicht, kann eine 45 Kilogramm wiegende Fracht mitgenommen werden.

Viel Gewicht eigentlich, das dank E-Unterstützung vom Bosch-Cargo-Line-Motor nicht zu sehr auffällt. Der Motor macht das flinke Carrie jedenfalls flott und die Fahrerbeine nicht müde. Leise und spritzig aber nicht wirklich bärig schiebt das kleine Kraftpaket an Steigungen hinauf. Ans Hinterrad gelangt die Motorkraft per Riemenantrieb, eine stufenlose Enviolo-Nabenschaltung im Hinterrad hat für jede Situation das passende Übersetzungsverhältnis. Eine Rasterung mit zum Beispiel 14 Gängen könnte die Nutzung der Schaltung in vielen Situationen etwas erleichtern. Das Reichweitenpotenzial ist mit dem kleinen 545-Wh-Akku mit 60 bis 70 Kilometer im Flachland und starker Unterstützung ausreichend. Man kann auch ohne Motorkraft fahren, doch Lust darauf macht das Carrie nicht. Der gesamte Antrieb mit wartungsarmem Gates-Riemen ist sehr leise, zudem klapperte nichts.

An unserem Test-Carrie war das kleine Purion 200 Display am Lenker montiert. Der Mini-Screen reicht jedenfalls. Wer mehr will, kann die smarte Konnektivitätslösung von Bosch mit der Flow-App nutzen. Zusätzlich war unser Testrad mit dem RX-Chip von R&M gerüstet, der unter anderem zusätzlichen Diebstahlschutz und Tracking-Funktion bietet.

Das Fahrverhalten mit dem weit vom Lenker über eine Stange angelenkten Vorderrad ist etwas gewöhnungsbedürftig. Doch nach spätestens einer halben Stunde hat man den Dreh raus. Bald findet man sogar Freude daran, den langen Einspurflitzer eng und flott durch Kurven zu scheuchen. Top-Niveau bieten die MT4-Bremsen von Magura, die zunächst fein dosierend sanft anlegen und erst bei beherztem Griff auch souverän zupacken. Die Sitzposition ist aufrecht und bequem, nach 30 Minuten Fahrzeit verspürten wir allerdings gelegentlich ein Kribbeln in den Händen. Freihändiges Fahren ist übrigens nicht möglich. So agil das Carrie im Fahrbetrieb, so sperrig ist es zudem wegen des eingeschränkten Lenkeinschlags und dem langen Radstand beim Rangieren. Dennoch kann man das kleine Lastenrad auch als Alltagsrad statt nur als Zweitrad für den Einkauf nutzen. Das Carrie lässt sich ähnlich wie ein normales Fahrrad auf dem zweibeinigen Mittelständer platzsparend parken. Bei Bedarf lässt sich zudem der Lenker mit wenigen Handgriffen flachlegen.

Qualität, Funktionalität und die durchweg guten Komponenten sorgen, und hier ist der eine Wermutstropfen, für ein gehobenes Preisniveau. Die City genannte Basis startet bei 5.700 Euro. Will man die Stufenlos-Nabenschaltung mit Riemenantrieb, landet bei mindestens 6.400 Euro. Sollen noch Flex-Box und Kindersitz dazu, kommt man auf 7.000 Euro. Bei rund 7.500 Euro nähert man sich der Vollausstattung. Selbst für ein gut gemachtes E-Cargo ist das eine Menge Geld.

Der Artikel "Test: Riese & Müller Carrie - Tolle Kiste" wurde am 14.08.2024 in der Kategorie E-Bikes von Mario Hommen/SP-X mit den Stichwörtern Test: Riese & Müller Carrie , E-Bikes, veröffentlicht.

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