Ratgeber

Die Zukunft der Caravan- und Reisemobilbranche: „Der Caravaning-Kunde hat sich verändert“

31. August 2022
Redaktion 3
3Die Zukunft der Caravan- und Reisemobilbranche: „Der Caravaning-Kunde hat sich verändert“
Foto: Caran- und Reisemobil Experte Bengt König von rpc – The Retail Performance Company
3 Bilder
In den vergangenen 24 Monaten hat die Reisemobilbranche eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle hinter sich. Die Industrie ist im Wandel und Hersteller und Händler müssen diesen Wandel mitgehen, um erfolgreich zu bleiben.

Im Gespräch unterstreicht Bengt König, Business Coach und Caravaning Enthusiast von rpc – The Retail Performance Company, welche Bedeutung neue Lösungsansätze besonders in der wirtschaftlich angespannten Zeit haben. Digitale Wege seien auch für Caravan-Händler einer der wichtigsten Schritte, um auch langfristig Kunden zu erreichen.

Die Caravan-Branche hat in den vergangenen 24 Monaten eine sehr dynamische Phase hinter sich.

Wie schätzen Sie die Entwicklung der Branche in den vergangenen Jahren ein?

„Die dynamische Entwicklung der Branche begann bereits im Jahr 2015. Immer mehr Menschen in Deutschland haben diese Urlaubsform für sich aus unterschiedlichen Gründen entdeckt. Nachhaltigkeit, Umwelt, Flexibilität spielen hier große Rollen. Das Institut Allensbach hat aktuell im Auftrag des CIVD e.V. mehr als 2 Millionen neue Caravaning Fans coronaunabhängig ermittelt. Natürlich hat Corona der Branche in den letzten 24 Monaten einen weiteren Schub gebracht. Es wird sich aber erst noch zeigen, wie viele coronabedingte Caravanisten dieser Urlaubsform treu bleiben werden.

Wobei man sagen muss, das Reisemobile in dieser Dynamik die Gewinner waren und der Wohnwagen stark zurückstecken musst. Aktuell ändert sich das aber, da die Hersteller mit langen Lieferzeiten für Reisemobile kämpfen, Wohnwagen hingegen noch eine gewisse Verfügbarkeit haben.“

Vor welchen Herausforderungen stehen Händler in der Caravan-Branche heute?

„Aktuell beschäftigt die Händler die geringe Verfügbarkeit von neuen Reisemobilen, Teilen und Zubehör am meisten. Das wirkt sich auf die Umsätze im Verkauf aus. Diese können momentan teilweise aufgefangen werden, da der Händler keine großen Nachlässe geben muss und auch nicht kann. Wenn sich die Liefersituation in den nächsten Monaten nicht bessert, und danach sieht es aus, muss der Handel sich auf die Optimierung der Abteilung Aftersales (Service und Werkstatt) konzentrieren.

Warum? Weil bisher der Fokus auf den Verkauf lag. Der Service der Händler macht selbstverständlich einen sehr guten Job, um die verkauften Fahrzeuge mit allen möglichen Zubehöranbauten auf die Straße zu bringen. Aber Produktivität, Leistungsgrad, Effizienz wurden nur bei wenigen Händler konsequent gemessen.

Hier geht dem Handel sehr viel Geld verloren. Denn was ich nicht messe, kann ich auch nicht optimieren. Dazu kommt, dass durch die gesteigerten Absatzzahlen, durch Platzmangel, in den aus allen Nähten platzenden Werkstätten und dem Fachkräftemangel in der Branche externe Werkstattkunden meist mit langen Wartezeiten vertröstet bzw. weggeschickt werden mussten, um die eigenen Kunden zu bedienen.

Das bedeutet das Umsatz und Ertrag weggeschickt wurden.

Der bereits erwähnte Fachkräftemangel setzt den Unternehmern zusätzlich stark zu. Es tut sich zwar im Bereich der Ausbildungsberufe in Bezug auf „Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker/-in“ einiges. Es wird wohl eine Fachrichtung, die den Namen „Caravan- und Reisemobiltechnik“ bekommt, ab 2023 geben. Das hilft den Unternehmern aber nicht aktuell. Quereinsteiger müssen mühsam angelernt werden und sind nicht selten über den hohen Workload überrascht und halten nicht lange durch. Caravaning ist eben nicht Automobil.“

Welche Lösungsansätze gibt es für diese Herausforderungen aktuell? Welche Erfahrungen aus der Praxis haben sie hier sammeln können?

„Unser Lösungsansatz ist die gesamte Prozesskette im Aftersales beim Händler zu überprüfen und Schwachpunkte systematisch aufzudecken. Diese ergeben dann eine pragmatische Maßnahmenplanung, die der Unternehmer mit seinem Team abarbeiten kann. Klingt einfach, und das ist es auch wenn man definiert hat, wie ein idealtypischer Prozessablauf in der heutigen Zeit in dieser Branche aussehen sollte.
Durch diese Vorgehensweise werden die Mitarbeiter befähigt in den optimierten Prozessschritten effizienter zu arbeiten. Die eingekaufte Arbeitszeit wird produktiver genutzt und der Leistungsgrad steigt.

Eine wichtige Rolle spielt hier die Systemlandschaft beim Händler. Mit welchem Dealer Management System (DMS) und welcher Werkstatt-Software arbeitet der Händler? Nur mit Hilfe dieser Systeme können Rückschlüsse auf Kennzahlen wie z.B. die eingekauften und verkauften Arbeitsstunden oder Teile gezogen werden.

In der Praxis konnten wir feststellen, dass ein Unternehmer, der sich auf diese Veränderungen eingelassen hat, dann erfolgreich war, wenn die Mitarbeiter diesen Change mitgetragen haben. Die Systeme wurden endlich vollumfänglich genutzt und nicht nur die Kennzahlen haben sich verbessert, sondern auch die Mitarbeiterzufriedenheit. Was noch wichtiger ist als Umsatz und Ertrag. Denn ohne zufriedene Mitarbeiter, gibt es keine Kundenzufriedenheit und damit keinen Erfolg.“

Auf welche Aspekte legen Sie derzeit bei Ihren Lösungsansätzen besonderen Wert?

„Der Aspekt Mensch steht immer im Mittelpunkt. Einerseits der Kunde und anderseits der Mitarbeiter. Jeder Prozess muss auf diese beiden Gruppen ausgerichtet werden. Deshalb legen wir bei rpc großen Wert darauf, die „end2end-Prozesse“ immer vom Kunden her zu denken. Dann ist das Unternehmen auch erfolgreich.“

Inwiefern haben sich die Anforderungen an Händler in der Vergangenheit gewandelt?

„Der Caravaning Kunde hat sich verändert. Der klassische Reisemobil- bzw. Wohnwagenkunde wusste, worauf er sich beim Kauf eines Fahrzeugs einlässt. Der „neue Kunde“ weiß das meist nicht und hat oft den gleichen Anspruch an sein Reisemobil bzw. an seinen Wohnwagen wie an seinen PKW. Qualitativ gibt es hier aber Unterschiede, die dem Kunden nicht bewusst sind. Somit muss der Händler
mehr Zeit in die Beratung und ins Beschwerdemanagement investieren. Darauf waren nicht alle vorbereitet. Die passende Kommunikation mit dem Kunden ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Wir trainieren hier gezielt zu diesem Thema unsere Händler.“

Mit Themen wie Digitalisierung und Kundenzentriertheit wird heutzutage schnell um sich geworfen. Welche Rolle spielt dabei die langfristige Kundenbeziehung ggü. mittelfristigen Absatzzahlen?

„Ich möchte hier den Vergleich zum Autohandel ziehen, da es hier tatsächlich passt. Der überwiegende Teil der Händler in der Caravaning Branche verfügt leider nicht, wie in der Automobilbrache, über ein CRM-System (Kundenbeziehungsmanagement-System). Der Kunde kommt zum Händler und kauft ein Fahrzeug. Danach sind die meisten Händler nicht mehr proaktiv auf den Kunden zugegangen, gelegentlich wurde er vielleicht auf ein Frühlingsfest eingeladen. In der Automobilbranche wird der Kunde über einen definierten Betreuungskreislauf über den gesamten Nutzungszyklus des Fahrzeugs intensiv betreut und kontaktiert. Die Effizienz hängt dabei stark von der Motivation und Beziehungsfähigkeit des Kundenbetreuers (Verkäufer, Serviceberater) ab, vor allem im Premium Segment.

Eine langfristige Kundenbeziehung benötigt aus unserer Sicht erstens einen motivierten Mitarbeiter und zweitens ein professionelles CRM-System, welches dem Mitarbeiter ermöglicht seine Beziehung zum Kunden leicht zu organisieren. Wenn diese Voraussetzungen geschaffen sind, kann der Händler seine Absatzzahlen durch eine Absatzplanung und ein verbessertes Ordermanagement steigern.
Wir bieten unseren Kunden diese Systeme an und stellen immer wieder fest, dass Kundenzufriedenheit unabdingbar die Systematisierung über die digitalen Instrumente braucht, auf deren Basis der Verkäufer dann seine Betreuungsaufgabe effizient und zielgerichtet leisten kann. Moderne Kundenzufriedenheit ist das Ergebnis aus der Kombination digital basierter Systemkompetenz und persönlicher Betreuungsqualität.“

Was muss ein Händler mitbringen, um sich bestmöglich zukunftsbeständig aufzustellen?

„Veränderungsbereitschaft und Entscheidungsfähigkeit.

Wahrscheinlich kennen Sie die stark strapazierte Abkürzung „VUCA“.  Aber nochmal zur Bedeutung:  die Lage in der Welt ist volatility" ("flüchtig"), "uncertainty" ("Unsicher"), "complexity" ("Komplex") und "ambiguity" ("Mehrdeutig").

Der Unternehmer muss jederzeit bereit sein sich auf Marktveränderungen einzustellen und Entscheidungen, die er gestern getroffen hat, wieder revidieren zu können. Dazu braucht es Mut und das Selbstverständnis nicht alles selbst leisten zu können. Er benötigt seine Mitarbeiter, seine Kunden und manchmal auch ein Beratungsunternehmen wie The Retail Performance Company.“

Welches Vorgehen empfehlen Sie Caravan-Händlern, die Handlungsbedarf bei sich sehen?

„Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation. Der Händler sollte sich gezielt mit seinen Führungskräften und Mitarbeitern zusammensetzen und über das was gut und das was nicht gut läuft austauschen. Daraus entstehen immer Maßnahmen, die zur Optimierung der Prozesse im Betrieb beitragen.“

In einem Beispiel haben Sie für RC Mannheim einen neuen Showroom konzipiert. Welche Ergebnisse können Sie nun bereits mit Blick auf diesen Fall erkennen?

„Durch RC Mannheim sehen wir, dass die Branche im Wandel ist. Nicht nur, dass der Handel sich auf die neuen Kunden, die aktuellen Gegebenheiten durch Krisen und veränderte Marktbedingungen einstellt. Sondern auch, dass eine neue Generation in der Unternehmensführung nachrückt. Die Eltern haben das Unternehmen erfolgreich aufgebaut und zu dem gemacht, was es ist. Die Töchter und Söhne überführen den Betrieb nun in die Digitalisierung und eine neue Form der Kundenzentrierung. Man sieht das sehr deutlich am Erscheinungsbild des neuen Showrooms. Die Kunden werden viel emotionaler in ihren Bedürfnissen und Stimmungen angesprochen. Reisen ist ja nach wie vor nichts anderes als die Erfüllung von Sehnsüchten.“

Wie und wohin wird sich die Branche in den kommenden Jahren entwickeln?

„Das ist eine gute Frage, aber ich habe leider keine Glaskugel. Aber ich versuche mal in die Zukunft zu schauen.

Die Branche ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Camping ist eine Urlaubsform, die in allen Schichten der Gesellschaft seine Liebhaber gefunden hat. Durch Corona und diversen Camping Dokumentationen im deutschen TV wird sich das in den nächsten Jahren noch steigern und manifestieren. Allerdings wird sich die Branche auch darauf einstellen müssen, dass der aktuelle Boom und die seit 2015 kontinuierliche Steigerung der Absatzzahlen endlich ist. Ich glaube, dass nur der Unternehmer langfristig erfolgreich sein wird, der drei Stellschrauben im Auge behält:

• Konsequente Fokussierung auf Kundenzentrierung.
• Nutzung von digital gestützten Systemen und Prozessen.
• Unternehmerische Führung des Aftersales Geschäfts zur Stabilisierung des Deckungsbeitrages.

Unabdingbar ist dabei eine intensive Kommunikationskultur, denn ohne ehrliche Mitarbeiterorientierung funktioniert keine Kundenorientierung.“

Der Artikel "Die Zukunft der Caravan- und Reisemobilbranche: „Der Caravaning-Kunde hat sich verändert“" wurde am 31.08.2022 in der Kategorie Ratgeber von Redaktion mit den Stichwörtern Die Zukunft der Caravan- und Reisemobilbranche: „Der Caravaning-Kunde hat sich verändert“, Tipp & Infos, veröffentlicht.

Weitere Meldungen

25. April 2024

Audi Q7 und Q8 PHEV: Größere Batterie, mehr Reichweite

Audi spendiert den beiden elektrifizierten Q7 und Q8 eine aktualisierte Batterietechnologie, effizientere Fahrmodi ...