Ja, es gibt sie noch, die klassische Limousine - auch wenn sie derzeit einen schweren Stand hat. Dabei gibt es unverändert gute Gründe für die traditionelle Wahl. Der Motor-Informations-Dienst (mid) führt sie am Beispiel des Opel Insignia Grand Sport, der seit kurzem unseren Dauertest-Fuhrpark erweitert, ins Feld.
Wir Deutschen sind ein Volk von Hochsitzfahrern. Im Juli dieses Jahres machten SUV und Geländewagen hierzulande bereits 83.224 der insgesamt 236.393 Pkw-Neuzulassungen aus. Damit entfielen schon mehr als ein Drittel aller neu auf die Straßen gekommenen Autos auf die beiden Hochbeiner-Segmente. Insgesamt wurden von Januar bis einschließlich Juli 2021 schon 567.172 Fahrzeuge dieser Kategorien zugelassen. Keine andere Karosserieform hat einen so hohen Privatkundenanteil (41,8 Prozent). Die vergleichsweise alten Käufer wollen hoch sitzen, bequem einsteigen, viel Kopffreiheit genießen.
Klassische Limousinen hingegen führen unter all den hochgewachsenen Trend-Vehikeln im wahrsten Sinne des Wortes zusehends ein "Schattendasein". 173.078 Neuzulassungen in der Mittelklasse, 52.714 in der gehobenen Mittelklasse und nur noch 14.249 in der Oberklasse (jeweils Januar bis Juli 2021) macht in Summe gerade mal noch 240.041 Fahrzeuge traditionellen Zuschnitts. Hat die Limousine ausgedient? Wir finden, nein.
Grund 1: Das Preis-Leistungsverhältnis
Den jüngst umfassend überarbeiteten Opel Insignia gibt es laut aktueller Preisliste bereits ab 32.970 Euro (Grand Sport Business, 1.5 Diesel, 6-Gang-Schalter). Ein Hammerpreis für eine ausgewachsenes, fast 4,90 Meter langes Familienauto mit Platz für Fünf und einem Kofferraumvolumen von 490 bis 1.450 Liter. Bereits zum Einstiegspreis fährt Opels Top-Limousine zudem mit Features wie serienmäßigen LED-Frontscheinwerfern, Komfortsitzen, Klimaanlage und Apple CarPlay sowie Android Auto kompatiblem Multimedia-Radio mit Farb-Touchscreen vor.
Assistenzsysteme wie der Frontkollisionswarner mit Fußgängererkennung und automatischer Gefahrenbremsung sowie Spurhalte-Assistent erhöhen ab Werk die Sicherheit von Passagieren und Verkehrsteilnehmern.
Grund 2: Länge läuft, Höhe eher nicht
Machen wir uns nichts vor. Ein bisschen mehr Bequemlichkeit und die gefühlt bessere Übersicht im Straßenverkehr, die im SUV ohnehin nur so lange funktioniert, bis irgendwann alle höher sitzen, kostet in Zeiten explodierender Spritpreise jeden Tag bares Geld. Hauptgrund: Der unvermeidlich höhere Gesamtluftwiderstand. Der berechnet sich bekanntermaßen aus den Faktoren cw-Wert (Strömungswiderstandskoeffizient, Widerstandsbeiwert) und Stirnfläche (A) der projizierten Fläche eines Körpers, in diesem Fall eines Pkw, in Längsrichtung.
SUV-Modelle ragen, das ist ja der Sinn der Sache, in der Regel etwa 15 Zentimeter höher hinaus als Limousinen. Selbst bei unveränderter Breite führt das zwangsläufig zu einer größeren Stirnfläche. Dies wiederum erhöht (bei angenommen gleichem cw-Wert) proportional den Gesamtluftwiderstand. Dabei wirkt sich ein geringerer Luftwiderstand nicht nur positiv auf die Endgeschwindigkeit aus, er ist auch für den Spritverbrauch die bestimmende Größe. Denn bereits ab einer Fahrgeschwindigkeit von 60 km/h ist er der entscheidende Faktor, weil dann der Luftwiderstand den Rollwiderstand übersteigt und ersterer zudem mit steigendem Tempo exponentiell zunimmt.
Folge: Etwa die Hälfte des Spritverbrauchs geht in der Praxis auf das Konto der Aerodynamik. Der aktuelle WLTP-Prüfzyklus reflektiert diese Tatsache jedoch nur unzureichend. Das Durchschnittstempo während der Prüfung liegt bei nur 47 km/h. Wer nicht ausschließlich in der Stadt unterwegs ist, muss folglich - besonders bei SUV-Modellen - mit sehr deutlichen Abweichungen vom Normverbrauch rechnen.
Konkret: Mit einem cw-Wert von 0,26 gehört der Opel Insignia Grand Sport zu den aerodynamischen Musterschülern der Limousinen-Mittelklasse. Multipliziert man diesen Koeffizienten nach der oben genannten Formel (cw* A) mit der Stirnfläche (2,31 qm) ergibt sich ein Gesamtluftwiderstand (wissenschaftlich Widerstandsfläche) von 0,60. Selbst SUV mit optimiertem cw-Wert, bei gegebener Höhe und Breite ja der einzige Faktor, an dem sich im Sinne eines geringen Gesamtluftwiderstandes noch schrauben lässt, erreichen im besten Fall Werte zwischen 0,7 und 0,8, manch kantiger Geländewagen liegt bei 1,2. Für kühle Rechner gibt es schon deshalb eigentlich keine Wahl. Weil viele Fuhrparks mittlerweile strenge CO2-Limits eingeführt haben, können Limousinen und Kombis hier ihren Marktanteil halten.
Grund 3: Bessere Fahrdynamik, mehr Fahrkomfort
Auch hier gelten im Grunde simple Wahrheiten. Je höher ein Fahrzeug ist, desto höher liegt der Fahrzeugschwerpunkt. Bei Kurvenfahrt führt das grundsätzlich zu stärkerer Seitenneigung, was sich sowohl negativ auf die Fahrdynamik als auch auf das Sicherheits- und Komfortempfinden auswirkt. Gegensteuern lässt sich hier - bei konventionellen Fahrwerken - nur mit einer insgesamt strafferen Auslegung, was den Fahrkomfort weiter einschränkt. SUV sind zudem - um die hohen Fahrzeugflanken optisch zu kaschieren und sie Bodenständiger erscheinen zu lassen - häufig mit besonders großen (teuren) Rädern ausgerüstet. Sie erhöhen die ungefederten Massen, was in Kombination mit Niederquerschnittsreifen, die wenig Eigenfederung bieten, den Fahrkomfort weiter reduziert.
Folge: Viele SUV poltern - weil sie sich ja "sportlich" fahren sollen - ziemlich ungehobelt über Bodenwellen und Schlaglöcher. Ganz anders der Opel Insignia als Vertreter der klassischen Limousine. Er glänzt mit sehr ordentlichem Federungskomfort, bietet auch auf kurvigen Landstraßen viel Fahrspaß, und überzeugt bei höherem Tempo mit stabilem Geradeauslauf. So werden auch lange Reisen zum Vergnügen.
Fazit: Klassische Limousinen haben unbestreitbare Vorteile. Wer häufig lange Strecken zurücklegen muss, ist mit ihnen meist sparsamer, bequemer und letztendlich auch sicherer unterwegs. Vielleicht riskieren Sie beim nächsten Kauf mal wieder einen Blick auf den Klassiker - auch wenn der Nachbar dann womöglich künftig auf Sie herabschaut.
Christoph Reifenrath / mid
Der Artikel "Ein Plädoyer für die Limousine" wurde am 22.08.2021 in der Kategorie Fahrbericht von Christoph Reifenrath mit den Stichwörtern Automobil, Limousine, Fahrbericht, Praxistest, Test-Bericht, Pressevorstellung, Test, Bericht, Kurztest, Vorstellung veröffentlicht.