Mit Alfa Romeo und Italien verhält es sich wie mit Pasta und Parmesan. Jedes für sich ist ein Genuss, aber zusammen entwickelt sich ein Schmelz und Traum im Mund, der sich immer wieder selbst übertrifft.
Geschmack kennt bekanntlich keine Grenzen oder nur solche, die man hinter sich lassen sollte. So wie die zu Deutschland, wenn die Sehnsucht nach dem Süden in unserer Alfa Romeo Giulia alle Sinne weckt. Welche Richtung? Den schnellen, aber langweiligen Autobahnspurt über den Brenner oder doch lieber die Fahrt über das Timmelsjoch. Klare Sache: Mit 44 Kehren über 2.509 Meter Passhöhe. Verlockung pur für die rassige Italienerin im aufregend roten Blechkleid, die es in einer Herzensangelegenheit nach Verona zieht.
Mit der Liebe ist das so eine Sache. Es heißt, wer in Verona seinen Schwur auf ein Zettelchen schreibt und an die Wände des Hauses der Julia pappt, der kann darauf bauen, dass die Liebe ewig hält. Wie die Liebe der Alfisti in aller Welt zu der Alfa Romeo Giulia. Die hatte in den 1970-Jahren ganz allein den Ruf von Pasta und Parmesan. Schon ein Sportwagen, als Audi noch als DKW Zweitakter zusammenschraubte und BMW sich gerade vom Scheintod erholte.
Geile Teile, würde man heute eine knackige Kurzformel für die Alfas jener Ära suchen, die wenig glücklich zum Ende der 1970 Jahre auslief. Sehr zum Kummer ihrer Liebhaber. Unter den namenlosen Alfas danach hatte allein der mit dem wenig romantischen Namen "159" den Charme und das Flair, Leidenschaft zu wecken. Doch in der Fiat-Ägide hieß die Marschrichtung quälend lange Einheitskost statt Dolce Vita. 2016 hatte der damalige und inzwischen verstorbene Firmenchef Sergio Marchionne endlich, aber spät ein Einsehen und enthüllte höchstpersönlich die wieder erwachte Giulia.
Unter deren Haube pocht jetzt aufgeregt der 200 PS starke Turbobenziner. Kurve für Kurve durcheilt die Giulia mit unbändiger Leichtigkeit, angetrieben von der Kraft ihrer Hinterräder und der Sehnsucht nach ihrem Romeo. Ein kurzer Stopp an der Passhöhe, dann geht es abwärts. Schwerstarbeit fürs Fahrwerk und vor allem die Bremsen. Ein Dorado für Automobilisten, die sich auf dieser Traumstraße treffen mit ihren Lambos, Porsches und sonstigen Sportwagen.
Die Giulia lebt in dieser Gesellschaft auf: Keinen Blick ist ihr die hinreißende Kulisse der Dreieinhalbtausender wert, die den Weg hinunter ins Südtiroler Passeiertal garnieren. Auch, dass das Klima mild und mediterran wird, stört sie wenig. Die Fahrt geht vorbei an propperen Weinbergen, die zögerlich den Blick auf pittoreske Dörfer freigeben, bis am Ufer des in der Sonne glitzernden Gardasees Zitronenduft in der Luft liegt. Der nördlichste Punkt Italiens, an dem noch Zitronen wachsen. Dann endlich, endlich: Die Porta Nueva, das antike Stadttor von Verona aus der Römerzeit, tut sich vor uns auf.
Wer in der 2.000 Jahre alten, im Kern gut erhaltenen Altstadt von Verona ein romantisches Rendezvous mit seinem Liebsten herbeisehnt, der muss viel Geduld mit sich bringen. Mühsam bahnt sich die Giulia jetzt ihren Weg durch die engen Gassen mit den altehrwürdigen Patrizierhäusern. Der Schauplatz der wohl berühmtesten Liebesgeschichte der Welt hat tagsüber den Charme von Disney World. Heerscharen von Touristen schieben sich im Zeitlupentempo hin zu dem Balkon, wo sich Julia in ihrem Liebesschmerz nach ihrem Romeo gesehnt haben soll.
Obwohl die Giulia mit 4,64 Meter Länge, einer Breite von 1,80 Metern und einem knackigen Idealgewicht von 1.504 Kilogramm keine zierliche Autobraut mehr ist, bleibt ihr der Weg zu dem Balkon angesichts der Enge versperrt. Dafür tätscheln Hände die Hüften der Stufenheck-Limousine, deren Form der italienische Designer Lorenzo Ramaciotti entwarf. Der hat bei Pininfarina schon die Außenhaut der Ferrari 456, 550 Maranello und Enzo verantwortet.
Wie schon die erste Giulia in den 1960er und 1970 Jahren verbrachte auch die aktuelle Giulia zur Optimierung ihrer Figur viel Zeit im Windkanal. Das Ergebnis der Prozedur: Eng um die Räder gezogene Radhäuser, tiefe Schürzen, seitliche Abrisskanten am Heck und eine konturierte Spoilerlippe am Kofferraumende.
Mit einer Figur zum Niederknien, nur mit dezentem Zierrat und dem legendären Scudetto geschmückt, wartet die italienische Schönheit tags darauf in den frühen Morgenstunden auf den großen Auftritt vor der Arena. Selbst das im Licht des schwindenden Mondes schimmernde Kopfsteinpflaster scheint im Dämmerschlaf zu liegen, als sich langsam eine Silhouette ins Bild schiebt. Noch vor Sonnenaufgang wird automobile Leidenschaft das Herz des Romeo schneller weich werden lassen als Parmesan auf heißer Pasta.
Solveig Grewe / mid
Technische Daten Alfa Romeo Giulia
- Länge / Breite / Höhe: 4,64 / 1,43 / 1,86 Meter
- Motor: Vierzylinder Turbo-Benziner
- Hubraum: 1.995 ccm
- Leistung: 148 kW/200 PS bei 4.500 U/min
- max.Drehmoment: 330 Nm bei 1.750 U/min
- 8-Stufen-Automatikgetriebe
- 0 bis 100 km/h : 6,6 Sekunden
- Spitze: 235 km/h
- Normverbrauch: 6,6 - 7,0 l/100km
- CO2-Emissionen: 153-162 g/km
- Abgasnorm: Euro 6d-Temp
- Preis: ab 37.000 Euro
Der Artikel "Mit der Giulia nach Verona: Große Oper für Alfa Romeo" wurde am 23.10.2019 in der Kategorie Fahrbericht von Solveig Grewe mit den Stichwörtern Auto, Fahrbericht, Praxistest, Präsentation, Lifestyle, Test-Bericht, Pressevorstellung, Test, Bericht, Kurztest, Vorstellung veröffentlicht.