New Mobility

mid-Interview: "Elektromobilität begreifbar machen"

4. Juli 2017, 11:27 Uhr
Ralf Loweg
Den Elektroautos gehört die Zukunft. Doch der Durchbruch dieses alternativen Antriebs lässt in Deutschland auf sich warten. Auch staatliche Anreize ändern nur wenig an dieser Situation. Worauf es ankommen wird, damit Elektroautos schon bald Benziner und Diesel auf deutschen Straßen verdrängen, verrät Matthias Loebich, globaler Leiter Automotive bei der Technologieberatung BearingPoint, im mid-Interview.


Den Elektroautos gehört die Zukunft. Doch der Durchbruch dieses alternativen Antriebs lässt in Deutschland auf sich warten. Auch staatliche Anreize ändern nur wenig an dieser Situation. Worauf es ankommen wird, damit Elektroautos schon bald Benziner und Diesel auf deutschen Straßen verdrängen, verrät Matthias Loebich, globaler Leiter Automotive bei der Technologieberatung BearingPoint, im mid-Interview.

mid: Im Wahl-Programm der Grünen steht, dass ab 2030 nur noch Autos mit alternativen Antrieben neu zugelassen werden dürfen. Wie realistisch ist das?

Matthias Loebich: Um dieses Ziel politisch durchzusetzen, ist es denkbar, über steuerliche Anreize entsprechend Druck aufzubauen oder anders herum einen Anreiz zu bieten, auf Elektrofahrzeuge umzusteigen. Gleichzeitig stellt sich auch die Frage, inwieweit EU und Kommunen eine Bundesregierung über die kommenden Legislaturperioden hinweg entsprechend unter Zugzwang setzen werden.

mid: Wie sieht denn Ihre Prognose hinsichtlich der Elektromobilität aus?

Matthias Loebich: Es wird nicht als Big Bang passieren. Aktuell ist es im Pkw-Bereich eher ein Lifestyle-Statement, das man abgibt, beziehungsweise ein Credo zum alternativen Antrieb. Dieser Trend wird sich fortsetzen und beschleunigen, wenn attraktivere Modelle auf den Markt gebracht werden und durch höhere Stückzahlen die Preise sinken.

mid: Welche Faktoren spielen dabei eine zentrale Rolle?

Matthias Loebich: Entscheidend wird es sein, Elektromobilität begreifbar, erlebbar und für den einzelnen Bürger voll alltagstauglich und akzeptabel werden zu lassen. Weiterer Treiber in dem Umfeld könnte der Eintritt neuer Wettbewerber im Markt sowie die Verschärfung der Umweltrichtlinien sein. Diese Faktoren könnten durchaus eine Beschleunigung der Transformation bewirken. Anders ist dagegen die Lage im öffentlichen Nahverkehr und Transportbereich. Hier können sich interessante Mehrwerte und Anwendungsszenarien ergeben, die einen schnellen Umstieg attraktiv machen.

mid: Warum hat es die Elektromobilität in Deutschland so schwer?

Matthias Loebich: Wir sprechen über ein Umdenken in der Nutzung eines Fahrzeugs. Tanken dauert heute fünf Minuten, das Aufladen eine Stunde und mehr. Dazu kommen die fehlende Infrastruktur sowie mangelnde Kosten-Transparenz. Eine subjektive Einschränkung des Werteversprechens Mobilität macht es den Kunden aktuell noch schwer, zu wechseln. Anders ausgedrückt: Die mögliche Einschränkung der individuellen Mobilität beim Investitionsgut Automobil ist noch die größte Hemmschwelle.

mid: Was braucht es, um dem Elektroauto bei uns zum Durchbruch zu verhelfen?

Matthias Loebich: Dies beginnt bei einfachen Änderungen der Bauverordnung, um den Aufbau von Ladeinfrastruktur in Tiefgaragen im privaten Sektor zu erleichtern. Die Elektro-Prämie ist sicherlich ein Mittel, um die Differenz der Anschaffungskosten zu verringern. Automobile sind und bleiben Objekte von Emotionalität, ganz egal, ob es sich um einen Supersportwagen oder ein Familien-Fahrzeug handelt. Dieses haben die Hersteller von Elektrofahrzeugen im aktuellen Portfolio nicht berücksichtigt. Ein positives und emotional geprägtes Erlebnis lässt sich leichter kommunizieren und kreiert sicherlich den notwendigen Effekt am Markt. Design, Lifestyle und Erleben sind hier entscheidender als technische Details.

mid: Und was fehlt noch?

Matthias Loebich: Von enormer Wichtigkeit wird auch das Thema Benutzerfreundlichkeit sein. Neben einem Fahrzeug erwirbt der Nutzer auch Zugang zu einem Ökosystem an Dienstleistungen und Services, das die Unwägbarkeiten abnimmt und ein Rundumsorglos Paket darstellt. Nach mehr als 100 Jahren Automobil sind die Käufer konditioniert. Um dem Elektroauto bei uns also zum Durchbruch zu verhelfen, ist das Thema Nutzerfreundlichkeit ganz entscheidend, denn dies reduziert Hürden.

mid: Was erwarten Sie von der Politik? Reicht die E-Prämie oder muss da noch viel mehr kommen?

Matthias Loebich: Die öffentliche Verwaltung muss sich überlegen, wie und wo der Fuhrpark elektrifiziert wird. Ansonsten ist es das ausbalancierte Steuern von sogenannten Push- und Pull-Maßnahmen, mit denen das Thema entwickelt werden muss. Diese Maßnahmen dürfen dabei aber nicht auf das Fahrzeug an sich begrenzt sein, sondern müssen auch Maßnahmen im Energiesektor, der Wirtschaftsförderung und Infrastruktur umfassen.

mid: Was konkret meinen Sie damit?

Matthias Loebich: Es geht um die Frage, ob es Sinn macht, den Strom dezentral zu erzeugen. Und wie können Privathaushalte davon profitieren? Können private Stromtankstellen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden? Was bringt es dem Bürger, sein Fahrzeug als Stromspeicher zur Verfügung zu stellen? Das alles sind Fragen, mit denen sich Entscheider auseinandersetzen sollten. Ich denke, hier stehen wir erst am Anfang. Viele Fragen, die wir in Zukunft stellen müssen, kennen wir vielleicht auch noch gar nicht. Es ist aber klar, dass Maßnahmen deutlich über die E-Prämie hinausgehen werden. Es müssen grundlegende Rahmenbedingungen geschaffen werden. Außerdem gilt: Reden ist Silber, Handeln ist Gold. Mit gutem Beispiel voran.

mid: Die Global Player BearingPoint und PP:AGENDA haben sich zu einem Dream Team für mehr Elektroautos zusammengeschlossen. Das kommt medial gut an. Wie hilfreich ist ein derartiges Engagement?

Matthias Loebich: Kommunikation ist ein Schlüssel zum Erfolg der Elektromobilität. PP:AGENDA und BearingPoint ergänzen sich hier, um gebündelt der Wirtschaft und Politik Antworten und Lösungen entlang der Reise Elektromobilität zu geben. Dabei setzen wir auf einen integrativen Ansatz, der die Kompetenzen der Energieversorger und der öffentlichen Hand verbindet. Elektromobilität wird nur im Dreiklang der Akteure passieren, und wir verstehen uns als Katalysator, dies zu erreichen. Das nächste Auto, das gekauft wird, soll ein E-Auto sein: das ist unser Ziel.

Ralf Loweg / mid

Hinweis für die Redaktionen:
Der mid sendet zu diesem Thema am Donnerstag (6. Juli) noch ein Interview mit Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbandes eMobilität (BEM).

Der Artikel "mid-Interview: "Elektromobilität begreifbar machen"" wurde am 04.07.2017 in der Kategorie New Mobility von Ralf Loweg mit den Stichwörtern Elektromobilität, Elektroauto, Umwelt, Interview, New Mobility, veröffentlicht.

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