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Alpine unter Strom

4. Dezember 2023, 10:09 Uhr
Marcus Efler 3
3Alpine unter Strom
mid Dieppe - Die Alpine A290 - hier noch als Designstudie - soll ab nächstem Jahr Sportwagen-Fans elektrisieren. Marcus Efler / mid
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Frankreichs Sportwagen-Ikone und Formel-1-Rennstall Alpine fährt vollelektrisch in die Zukunft. Wie und mit welchen Modellen das funktionieren soll, zeigt ein Blick hinter die Kulissen der flinken Renault-Tochter.


Frankreichs Sportwagen-Ikone und Formel-1-Rennstall Alpine fährt vollelektrisch in die Zukunft. Wie und mit welchen Modellen das funktionieren soll, zeigt ein Blick hinter die Kulissen der flinken Renault-Tochter. Der Motor-Informations-Dienst (mid) war in der Normandie.

Die Montage-Werkstatt ist hell und klinisch rein. Einige Mitarbeiter setzen sorgfältig einen V6-Motor zusammen: Block, Zylinder, Ventile, hunderte Teile fügen sich zu einem technischen Gesamtkunstwerk, wie Lego-Steine zu Technik-Spielzeug. Konzentrierte Ruhe herrscht hier in diesem Raum in einem Gebäude in Viry-Chatillon südlich von Paris. Das steht erst seit drei Jahren - solange, wie der Renault-Konzern seiner Sport-Marke Alpine den Auftritt in der Formel 1 überlässt.

Ein paar Meter weiter den Gang hinunter ist es hier, im Rennsport-Zentrum von Alpine, mit der Ruhe vorbei. Ein Motor dröhnt auf dem Prüfstand so laut, dass die dicken, doppelten Schallschutztüren das Geräusch im Nebenraum nicht komplett dämmen können. Die Software der dort angeschlossenen Computer simuliert Schaltvorgänge, hin und wieder schießt eine Stichflamme aus dem Motorblock. In einem weiteren Raum wird sich später zeigen, ob die Simulation in der Realität besteht: An einer Monitorwand können Ingenieure und Strategen die Rennen und die dazugehörigen Telemetrie-Daten in Echtzeit verfolgen und das Team vor Ort unterstützen.

Die Formel 1 ist dabei nur eines von mehreren Motorsport-Engagements, mit dem Alpine sein Image als die sportliche Automarke Frankreichs transportiert. Emotional, mit viel High-Tech und Herzblut, so präsentiert sich die Renault-Tochter auf den Rennstrecken der Welt ihren Fans - und allen, die es werden könnten. Denn die kleine, aber feine Marke hat sich viel vorgenommen für die Zukunft, und möchte so klein gar nicht bleiben. Während derzeit das aktuelle Coupe, die Alpine A110, den Porsche 718 ärgert, sollen bis 2030 sieben weitere Modelle zu neuer Größe führen.

Und alle fahren sie mit Strom: Die Umstellung auf Elektroantrieb soll so flink geschehen, wie eine Alpine 110 über die Landstraßen der Normandie flitzt. Die Manager sehen da keinen Widerspruch zum bisherigen Marken-Image oder zu den lauten Spektakeln und der Fan-Base des klassischen Motorsports. "Fahrspaß gehört zur DNA von Alpine", sagt Produktchef Charlie Biardeau, "eine Kurbelwelle nicht unbedingt".

Der erster Stromer, die Alpine A290, startet denn auch schon im nächsten Jahr die Offensive mit Akku: Ein 3,99 Meter kurzer, aber 1,82 Meter breiter und 1,52 Meter hoher Fronttriebler mit knackig-kurzen Überhängen und 2,55 Metern Radstand.
Technisch basiert der Wagen auf dem künftigen Elektro-Renault R5. Anders als die Design-Studie A290 beta mit ihren zwei Türen und drei Plätzen wird die Serienversion aber ein Viertürer, mit optisch getarnten Griffen am Fond.

Das Gewicht soll bei (für einen Stromer) niedrigen 1.500 Kilogramm liegen. Leistungsdaten nennt Alpine noch nicht, doch wahrscheinlich sind 380 PS und eine Reichweite von über 300 Kilometer. 2025 folgt dann ein vollwertiger Crossover mit einem 89-Kilowattstunden-Akku und Allrad-Antrieb, der auf dem Renault Megane E-Tech und dem SUV Nissan Ariya basiert.

Während diese Fahrzeuge die konzernweite Elektro-Antriebsform des Renault Megane E-Tech nutzen, will sich Alpine mit den späteren Stromern von der Mutter emanzipieren und eine eigene Stromer-Plattform an den Start bringen: "Zu Alpine gehört es eben auch, etwas eigenes zu entwickeln", erklärt Roberto Bonetto, Vize-Präsident bei Alpine. Erstes Fahrzeug der elektrischen Unabhängigkeit wird in drei Jahren die Akku-Version der bekannten, zweitürigen Alpine 110.

Entwickelt werden sämtliche Fahrzeuge in Les Ulis südwestlich von Paris. Hier feilen die Ingenieure an den getarnten Prototypen, oder testen in einer Sitzkiste das künftige, volldigitale Cockpit. Die Produktion allerdings findet zwei Autostunden entfernt statt, nämlich am historischen Stammsitz in Dieppe an der Atlantikküste. 4.000 Autos des Typs 110 verlassen derzeit jährlich die Gebäude des 1955 von Jean Rädele gegründete Autobauers.

Gut 20.000 Einheiten dieses Coupes rollen bereits vor allem über französische, aber auch deutsche, britische und manche anderen Straßen. Das sind zwar etwa schon doppelt so viele, wie von der früheren Eigenentwicklung A310 in den Jahren 1971 bis 1985 produziert wurden. Aber es ist kein Vergleich zu den glorreichen Zeiten, als man ab Mitte der 70er-Jahre in Partnerschaft mit Renault mit dem R5 Alpine den Fahrspaß a la francais definierte - und manchen VW-GTI-Fan bekehrte.

Im Gewerbegebiet des malerischen Örtchens für Sommerfrischler, wo die Alpine-Story startete, hat der Hersteller auf seinem 76.000 Quadratmeter großen Areal noch Kapazitäten frei. Derzeit arbeiten 350 Mitarbeiter "in einer Schicht", wie Fertigungs-Direktorin Anne-Catherine Bassett erklärt, aber: "Die Kapazität können wir problemlos verdoppeln". Produziert wird mit wenigen Robotern - etwa für das Zusammenfügen der zugelieferten Aluminium-Karosserieteile - und viel Handarbeit. Die Stimmung im Werk ist fast familiär, eher wie bei Ferrari als bei Porsche. Und vielleicht zählt man neben Italien und Deutschland ja bald auch Frankreich zu den Grand Nationes für Sportwagen.

Marcus Efler / mid

Der Artikel "Alpine unter Strom" wurde am 04.12.2023 in der Kategorie Fahrbericht von Marcus Efler mit den Stichwörtern Unternehmen, Importeur, Präsentation, Automobilproduktion, Werk, Elektrifizierung, Elektromobilität, Test-Bericht, Pressevorstellung, Test, Bericht, Kurztest, Vorstellung veröffentlicht.

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