Ratgeber

Keine höheren Strafen für Raser – Aktuelles zum Bußgeldkatalog

16. November 2020
Redaktion
Die neue Fassung der Straßenverkehrs-Ordnung inklusive aktualisiertem Bußgeldkatalog sollte ein klares Signal an Temposünder sein. Doch schon wenige Wochen nach Inkrafttreten am 28. April 2020 machte die StVO-Novelle Schlagzeilen – ein juristischer Formfehler sorgte für Rechtsunsicherheit.

Seither debattieren Bund und Länder über Bußgelder und Fahrverbotsregeln. Auch die letzte Plenarsitzung des Bundesrats am 6. November brachte keine Einigung. Wann das Regelungs-Wirrwarr ein Ende hat, bleibt abzuwarten. Bis eine Entscheidung gefallen ist, kommen Raser mit geringen Strafen davon.

Eine Ziffer hebelt neue Fahrverbotsregel aus

Überhöhte Geschwindigkeit zählt zu den häufigsten Unfallursachen im Straßenverkehr. Etwa jeder dritte tödlich verunglückte Verkehrsteilnehmer geht auf Unfälle durch unangepasstes Tempo zurück. Die strengeren Fahrverbotsregeln für zu schnelles Fahren, welche mit der StVO-Novelle Ende April eingeführt wurden, sollten Raserei eindämmen und die Verkehrssicherheit erhöhen. Dass letztlich eine einzige Ziffer genügen würde, um diesen Plan auf den Kopf zu stellen, hat niemand erwartet. Doch bereits kurz nach Inkrafttreten wurde ein Verstoß gegen das Zitiergebot bekannt.

Gemäß Grundgesetz der Bundesrepublik Artikel 80 Absatz 1 müssen Verordnungen die entsprechende Rechtsgrundlage aufzeigen. In der StVO-Novelle tauchte allerdings bei der Angabe von § 26a Straßenverkehrsgesetz die Nr. 3 des Absatzes 1 nicht auf. Weil sich diese auf Fahrverbote bezieht, sind mehrere Neuerungen unwirksam. Der juristische Fauxpas beschert seither Rechtsunsicherheit – viele Bußgeldbescheide sind ungültig. Um vorzubeugen, hat der Großteil der Bundesländer entsprechend reagiert. „Trotz Inkrafttreten des neuen Bußgeldkatalogs durch die StVO-Novelle werden auf Grund des Formfehlers in den meisten Bußgeldstellen derzeit die alten Bußgelder für Geschwindigkeitsüberschreitungen angewendet“, so der Hinweis unter https://www.bussgeldkatalog.org/geschwindigkeitsueberschreitung/, einem informativen Portal zum deutschen Bußgeldkatalog, das die Teilbereiche des Sanktionssystems jeweils separat thematisiert. Um die Unstimmigkeiten im Bereich Geschwindigkeitsüberschreitungen aufzuzeigen, wurden die alten und neuen Regelungen gegenübergestellt.

Unter anderem dürfen folgende Fälle aufgrund des Verstoßes gegen das Zitiergebot derzeit kein Fahrverbot nach sich ziehen:

- außerorts 26 km/h zu schnell gefahren
- innerorts 21 km/h zu schnell gefahren
- unberechtigte Nutzung von Rettungsgassen

Ein einmonatiges Fahrverbot droht Temposündern nach dem alten Bußgeldkatalog erst, wenn sie innerorts 31 bis 50 km/h beziehungsweise außerhalb geschlossener Ortschaften zwischen 41 und 60 km/h schneller unterwegs waren als es die Straßenverkehrs-Ordnung erlaubt.

Einspruch gegen Bußgeldbescheid möglich

Verkehrsteilnehmer, die wegen oben genannter Verstöße einen Bußgeldbescheid mit Fahrverbot erhalten haben, können mit einem Anwalt für Verkehrsrecht dagegen vorgehen. Hier gilt es eine Frist von 14 Tagen für den Einspruch zu beachten. Auch bei einem Bußgeldbescheid, der inzwischen rechtskräftig ist, besteht für Autofahrer noch Hoffnung: Wurde das verhängte Fahrverbot noch nicht angetreten, lässt sich bei der Bußgeldstelle ein Vollstreckungsaufschub verlangen. Sollte das Bußgeldverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen sein und der Führerschein wurde eingezogen, lässt sich mit einem Gnadengesuch die Aufhebung der Entscheidung beantragen. Wie die Potsdamer Neueste Nachrichten unter https://www.pnn.de/brandenburg/bussgelder-werden-neu-berechnet berichtet, hat Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) im Juli rechtskräftige Bußgeldbescheide per Gnadenerlass aufgehoben. „Bereits abgegebene Führerscheine müssten in diesem Fall sofort zurückgeschickt werden, Bußgeld müsse auch bei schon rechtskräftigen Bescheiden vorerst nicht bezahlt werden“, so die Redaktion der Potsdamer Zeitungsverlagsgesellschaft zum genannten Fall.

Schnelle Einigung nicht zu erwarten

Ob Raser künftig bereits ab 21 km/h (innerorts) beziehungsweise 26 km/h (außerorts) mit einem Fahrverbot bestraft werden, ist bislang nicht entschieden. Mit dem Kompromisspapier der Vorsitzenden der Verkehrsministerkonferenz Anke Rehlinger (SPD), das am 6. November Thema der Plenarsitzung des Bundesrats war, wurde ein weiterer Vorschlag abgelehnt. Rehlinger wollte mit dem Papier Union und Grünen entgegenkommen. Ihr Vorschlag umfasste einen Kompromiss, wonach Temposünder innerorts erst ab 26 km/h und außerorts ab 36 km/h mit einem Fahrverbot konfrontiert werden sollten. Deutlich höher sollten hingegen die Geldbußen bei überhöhter Geschwindigkeit ausfallen. Die Vorschläge hätten in etwa eine Verdoppelung der Strafen nach sich gezogen. Zum Vergleich: Tempoüberschreitungen innerorts zwischen 61 und 70 km/h hätten Ordnungshüter bei Zustimmung künftig mit knapp 1.000 Euro ahnden können, statt mit den derzeit veranschlagten 480 Euro Bußgeld. Überzeugen konnte Rehlinger mit ihrem Vorschlag lediglich die Grünen. Union, FDP und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer streben abgeschwächte Strafen für Temposünder an.

Weil das gesamte Gesetzgebungsverfahren erneut durchlaufen werden muss, ist eine schnelle Entscheidung unwahrscheinlich. Hinzu kommt, dass die politischen Akteure nicht allein die Korrektur des Formfehlers anstreben, sondern ein neuer Streit über die inhaltlichen Details ausgebrochen ist.

Der Artikel "Keine höheren Strafen für Raser – Aktuelles zum Bußgeldkatalog" wurde am 16.11.2020 in der Kategorie Ratgeber von Redaktion mit den Stichwörtern Keine höheren Strafen für Raser – Aktuelles zum Bußgeldkatalog, Tipp & Infos, veröffentlicht.

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