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Mercedes ESF: Neue Wege zu mehr Sicherheit

20. Mai 2019, 09:12 Uhr
Rudolf Huber
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Verkehrssicherheit ist kein Thema fürs Tagesgeschäft. Es braucht einen langen Atem, um der 'Vision Zero' näherzukommen. Also der Idee von null Verkehrstoten. Mercedes ist auf diesem Gebiet seit inzwischen 50 Jahren tätig. Mit großen Erfolgen. Und mit immer neuen, teilweise auf den ersten Blick kurios wirkenden Ideen. Ein Kristallisationspunkt für viele potenzielle Innovationen der nächsten Jahre ist das ESF 2019, das Experimental-Sicherheitsfahrzeug.


Verkehrssicherheit ist kein Thema fürs Tagesgeschäft. Es braucht einen langen Atem, um der "Vision Zero" näherzukommen. Also der Idee von null Verkehrstoten. Mercedes ist auf diesem Gebiet seit inzwischen 50 Jahren tätig. Mit großen Erfolgen. Und mit immer neuen, teilweise auf den ersten Blick kurios wirkenden Ideen. Ein Kristallisationspunkt für viele potenzielle Innovationen der nächsten Jahre ist das ESF 2019, das Experimental-Sicherheitsfahrzeug.

Dieses bis oben hin mit Zukunftstechnik vollgepackte Gefährt steht in einer langen Tradition. 1971 wurde das erste Exemplar gebaut, damals noch auf Basis des Strich 8. 2009 wurde das bis dato letzte Modell gezeigt - innerhalb dieses Jahrzehnts sind reihenweise Ideen daraus in die Serie eingeflossen. Etwa die Car2X-Kommunikation und das Akku-Sicherheitskonzept, das jetzt im EQC Premiere feiert.

Mehr als ein Dutzend Innovationen sind in den direkten Nachfolger ESF 2019 eingeflossen. Sie drehen sich, so Sicherheitsexperte Rodolfo Schöneburg, um zwei aktuelle Hauptthemen: Elektromobilität und autonomes Fahren.

Das Demo-Fahrzeug basiert auf dem aktuellen Mercedes GLE und zeigt schon von außen deutlich, dass es seiner Zeit weit voraus ist. Vier Lidar-Sensoren an den Dachecken sondieren die Umgebung und signalisieren durch türkisfarbene Leuchtstreifen, dass das Fahrzeug gerade vollautomatisiert unterwegs ist. In die Heckscheibe und den Kühlergrill können Informationen eingespielt werden. Etwa um ein abbiegendes Auto zu warnen, wenn auf dem Radweg ein Radler ankommt. Oder um einen querenden Fußgänger akustisch durch ein kurzes "Vorsicht!" und volle Scheinwerferbeleuchtung auf ein ankommendes Fahrzeug aufmerksam zu machen.

"Informierendes Vertrauen" soll das fahrerlose Auto aufbauen, als Ersatz für den bisher üblichen Blickkontakt von Mensch zu Mensch. Und für mehr Sicherheit. So kann die Heckscheibe neben einem Ausrufezeichen in einem Warndreieck auch die Live-Bilder von vor dem ESF zeigen - also etwa den kreuzenden Fußgänger. Apropos Warndreieck: Das ist im Experimental-Fahrzeug in einer Klappe unterm Wagenboden untergebracht, die sich bei Bedarf automatisch absenkt. Das Warnschild rollt nach hinten weg und sichert Unfallstellen selbsttätig ab. Ein weiteres Warndreieck hat der Wagen auf dem Dach - es klappt bei Bedarf von alleine hoch.

Automatisiertes Fahren ist für die Entwickler gerade unter dem Aspekt der Sicherheit eine echte Herausforderung. Im ESF sind die wichtigsten Baustellen schon erfolgversprechend bearbeitet. Übergibt der Pilot die Verantwortung ans Auto, rutscht das quadratische Lenkrad in Richtung Armaturenbrett, die Pedale senken sich in den Wagenboden. Weil die Sitze während der Fahrt wesentlich schräger stehen können als bisher, muss das Thema Rückhaltesysteme neu gedacht werden.

So führt etwa an direkt am Sitz fixierten Gurten kein Weg vorbei. Und der Fahrer-Airbag wandert wie auf der Beifahrerseite ins Armaturenbrett, er kann deshalb größer und flexibler ausgelegt werden. Statt der Windowbags werden pro Vordersitz zwei große Seitenairbags ins Fahrzeug einziehen, die beim Seitenaufprall auch die Kollision der Köpfe von Fahrer und Beifahrer verhindern. Und im Fond wird schon bald, nämlich in neuen Mercedes-Modellen innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre, ein Luftsack mit neuartiger Röhrenstruktur installiert, der sich bei einem Aufprall blitzschnell in eine Art Pop-up-Zelt mit stabilem Gerüst und großem, relativ weichem Luftkissen ausfaltet.

Auch an den sicheren Transport von Kleinkindern haben die Mercedes-Techniker gedacht. Dazu zieht Pre-Safe auch auf dem Kindersitz ein, also die bei einem drohenden Unfall vorab gestrafften Gurte. Eine Kamera zeigt dem Fahrer im Stand, ob es dem nach hinten blickenden Nachwuchs gut geht. Auch an beheizbaren Gurten wird bei Mercedes geforscht. Sie werden mit der Sitzheizung in Stufen aktiviert und bringen in kürzester Zeit Wärme an den Oberkörper - um etwa dicke Winterjacken unter den Gurten überflüssig zu machen und den Heiz-Aufwand im E-Auto zu reduzieren.

Eine vitalitätssteigernde und damit die Verkehrssicherheit verbessernde Licht-Dusche für den Inenraum steht genauso im Fokus der Forscher wie elektronische Hilfen bei einem nicht zu vermeidenden Heckaufprall durch ein vollautomatische, kurze Beschleunigung des Fahrzeugs, um auch wirklich die letzten Zentimeter "Fluchtraum" auszunutzen. Oder ein automatisch ausgelöstes Leuchtsignal an der Fahrzeugflanke, wenn sich in der Nacht ein Fahrzeug schnell in einer Querstraße nähert.

Überhaupt sind der Fantasie gerade bei der Signalisierung per Heckscheibe und Kühlerhaube kaum Grenzen gesetzt. Die Ingenieure haben sich Hinweise für die unterschiedlichsten Szenarien ausgedacht. Vom Stau über Glatteisgefahr bis zum Hinweis auf Baustellen ist alles dabei.

Wie wichtig diese Arbeit ist, macht Thomas Hellmuth, Leiter Karosserie und Sicherheit, unter anderem an drei Zahlen fest: So starben 2018 in Deutschland 3.265 Menschen im Straßenverkehr. Pro Tag verlieren 3.700 Menschen ihr Leben auf den Straßen dieser Welt. In Indien sind es pro Jahr 150.000.

Bis zur Realisierung der "Vision Zero" ist also noch viel zu tun.

Rudolf Huber / mid

Der Artikel "Mercedes ESF: Neue Wege zu mehr Sicherheit" wurde am 20.05.2019 in der Kategorie Neuheiten von Rudolf Huber mit den Stichwörtern Auto, Straßenverkehr, Sicherheit, Unfall, Forschung, Neuheit, Vorstellung, veröffentlicht.

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