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Erste Ausfahrt: Der neue digitale Actros von Mercedes-Benz

12. November 2018, 12:18 Uhr
Wolfgang Tschakert
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Bis auf die fehlenden Spiegel sieht der neue Actros von Mercedes-Benz aus wie immer. Doch rund ums Blech und darunter hat sich einiges verändert: eine neue Lenkung beispielsweise, weitere Sicherheitssysteme und ein digitales Cockpit. Der Motor-Informations-Dienst (mid) konnte bereits einige Runden drehen.


Bis auf die fehlenden Spiegel sieht der neue Actros von Mercedes-Benz aus wie immer. Doch rund ums Blech und darunter hat sich einiges verändert: eine neue Lenkung beispielsweise, weitere Sicherheitssysteme und ein digitales Cockpit. Der Motor-Informations-Dienst (mid) konnte bereits einige Runden drehen.

Auf den ersten Blick macht er nicht so viel her. Denn hier geht eine nächste Lkw-Generation an den Start - auch wenn man es ihr nicht ansieht. Das bisherige Fahrerhaus bleibt in seinen Grundfesten erhalten. Ab Herbst 2019 ist ein neuer Sicherheitsstandard gefragt, neue Kabinenlängen sollen mehr passive Sicherheit ermöglichen. Erst dann soll es weitere Schritte rund um die Kabine geben.

Den Wegfall der Außenspiegel vollzieht Mercedes-Benz radikal. Ab sofort ist der neue Actros bestellbar. Und schon ab Frühjahr 2019, wenn er von Band rollt, schiebt er keine Außenspiegel mehr gegen den Wind. Das Spiegel-Ersatzsystem ist Serie, Kameras links und rechts am Dachrahmen spielen ihre Bilder in Echtzeit auf die beiden 15-Zoll-Monitore an den A-Säulen. Aber so ganz konsequent waren die Mercedes-Techniker dann doch nicht. Auf der rechten Seite findet man noch Front- und Rampenspiegel, das hätte man eleganter lösen können.

Auch die Scheinwerfer im Bug sind neu, jedenfalls das Tagfahrlicht zeigt eine andere Signatur. Aber es bleibt beim Xenon-Fahrlicht, die Umstellung auf LED-Scheinwerfer wird erst im neuen Fahrerhaus kommen. Immerhin geht jetzt der Fernlichtassistent in Serie, der bekannte Fahrlicht-Drehschalter entfällt, bei Mercedes spricht man von einem "Intelligent Light System".

Bevor wir einsteigen, bedienen wir die neue Schlüsselfernbedienung. Die Prüfung der Beleuchtung ist jetzt kinderleicht, dafür gibt es einen speziellen Button. "Keyless go" jetzt auch für den Truck. Das Schlüsselteil muss nicht mehr in irgendeinen Schacht gesteckt werden, der Startknopf schaltet auf Zündung und startet die Maschine.

Das neue Cockpit, jetzt mit zwei großen Displays im konzerneigenen Tablet-Look, räumt mit der herkömmlichen Instrumentenoptik gründlich auf. Statt des klassischen Kombi-Instruments mit Tacho, Drehzahlmesser und Tankanzeige zeigt das Multimedia-Cockpit hinter dem Lenkrad das Farbdisplay eines hochauflösenden Flachbildschirms. Der hält für den Fahrer alle relevanten Basisinformationen bereit, der mittlere Bereich ist sogar individuell konfigurierbar. Das klassische Schalterbedienfeld fehlt. Dessen Funktionen werden rechts von einem Touchscreen übernommen. Licht, Heizung, Klima oder das Telefon sind durch separate Tasten direkt wählbar.

Und jetzt bekommt der Actros eine elektronische Feststellbremse wie die Pkw mit Stern, der altbewährte Knauf der pneumatischen Parkbremse verabschiedet sich hier. Einfach die Taste "P" drücken oder den verchromten Hebel ziehen, dann ist die Fuhre sicher fixiert. Beim Anfahren einfach Gas geben - oder "P" nochmal drücken, ein Zurückrollen dabei gibt es nicht mehr.

Der integrierte Hillholder ist auch nicht ohne: In der Steigung einfach das Bremspedal fest drücken, das Signal hält den eingesteuerten Bremsdruck bis zum Anfahren. Und noch eine spannende Zusatzfunktion hält der neue Actros bereit: Die Streckbremse kommt wieder, jetzt aber intelligent gesteuert und somit legal. Wird der Taster neben "P" gedrückt, stabilisiert das System den Zug mit einer Anhängerbremsung. Das gibt 's sonst nur bei der schwedischen Konkurrenz.

Jetzt aber los, der 510 PS starke OM 471 läuft bereits, er ist immer noch etwas vorlaut. Und die automatisierte Kupplung rupft noch immer beim Anfahren. Aber die Lenkung ist Spitze, hier hält das elektrohydraulische Servo-Twin-Lenksystem Einzug. So präzise wie jetzt - und gleichzeitig ohne Kraftaufwand - ließ sich der Actros noch nie steuern.

Aber Servo-Twin kann noch mehr: nämlich den Lkw aktiv in der Spur halten, wenn er ohne zu Blinken über die Begrenzungslinien fährt. Dann erhöht die Lenkung das Lenkmoment und hält dagegen. Oder wenn man den neuen Active Drive Assist (ADA) bemüht: Dann fährt der Actros teilautomatisiert in Level 2, die Lenkung hält den Truck autonom auf Kurs und bleibt auf Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug. Aber die Hände müssen am Lenkrad bleiben, sonst warnt und verweigert er sich, der digitale Actros.

Die nächste Actros-Generation soll auch mit weniger Kraftstoff auskommen, die Projektmanager sprechen von bis zu drei Prozent. Die Techniker führen die verbesserte Aerodynamik ins Feld, ein Teil geht auf das Konto der abgeschafften Spiegel. Größere Fortschritte werden vom verbesserten GPS-Tempomaten PPC (Predictive Powertrain Control) erwartet.

Das neue Tempomanagement nutzt jetzt digitale Straßenkarten, die Kurvenverläufe sowie die Beschaffenheit von Kreuzungen und Kreisverkehren kennen. So soll man jetzt auch auf Landstraßen den Tempomaten nutzen, die GPS-Funktion bleibt immer im Eingriff. Und tatsächlich, vor einer noch unsichtbaren Kurve reduziert der Actros das Tempo, das Display zeigt eine mit nur 40 km/h passierbare Kurve.

Wie man mit den Displays der Mirror Cams klarkommt? Vom Start weg recht gut, wenngleich bei direkter Sonneneinstrahlung das Bild nicht mehr im Detail gut auszumachen war. Fiktive Distanzlinien tragen zu einer besseren Einschätzung der rückwärtigen Verkehrsteilnehmer bei. Bei Sattelzügen schwenkt das Bild des kurveninneren Displays mit, so kann man den ganzen Trailer überblicken. Beim Rangieren kann man die Distanzlinien ans Trailerende rücken, damit kann der Lastzug genauer rangieren.

Die Mirror Cam (Spiegelkamera) verfügt über eine spezielle Rangieransicht fürs Rückwärtsfahren, so lässt sich das Weitwinkelbild im oberen Blickfeld vergrößern. Einige Spiegelfunktionen lassen sich individuell einstellen. Die Helligkeit der Displays beispielsweise, auch der Sichtbereich, der über das klassische Bedienfeld an der Tür verändert werden kann. Selbst nachts während der Ruhepause ist die Mirror Cam nützlich. Durch einen Schalter am Bett kann man das System für zwei Minuten aktivieren - und sehen, ob sich etwa Unbefugte am Lkw zu schaffen macht.

Und das ist längst noch nicht alles, was es am neuen Actros zu entdecken gibt. Denn der hat jetzt den Notbremsassistenten ABA 5 an Bord, das neue Sicherheitssystem erkennt Personen im Verkehr noch präziser. Dafür bemühen die Techniker jetzt das Radar- und ein Kamerasystem. Per Datenfusion wird die Reaktionsfähigkeit auf Passanten im Verkehr deutlich verbessert. Bis 50 km/h kann der Active Brake Assist 5 auf querende, entgegenkommende oder in der Spur laufende Personen mit einer Vollbremsung reagieren. Das konnte ABA 4 noch nicht.

Den Abbiegeassistenten kennen wir bereits seit 2016. Kein automatisches Bremssystem, aber ein Warnsystem mit mehrstufiger Kaskade: Zunächst wird optisch auf das gefährdete Objekt aufmerksam gemacht, in der Mirror Cam leuchtet ein Warndreieck. Bei Kollisionsgefahr ertönt zusätzlich ein Warnton von der Beifahrerseite. Der "Sideguard-Assist", so heißt er im Daimler-Jargon, hat sich durchaus schon bewährt. Die Zahlen des Vertriebs sprechen von einer Einbauquote von 30 Prozent, andere Hersteller sind hier überhaupt noch nicht in Erscheinung getreten.

Wolfgang Tschakert / mid

Der Artikel "Erste Ausfahrt: Der neue digitale Actros von Mercedes-Benz" wurde am 12.11.2018 in der Kategorie Fahrbericht von Wolfgang Tschakert mit den Stichwörtern Lkw, Neuheit, Fahrbericht, Test-Bericht, Pressevorstellung, Test, Bericht, Kurztest, Vorstellung veröffentlicht.

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