Praxistest

Quadro3: Zweirad-Feeling auf drei Rädern

21. August 2018, 12:25 Uhr
Ralf Schütze
Das Ding gibt Rätsel auf: Wieso Quadro und nicht Quattro? Und wieso drei statt vier Räder, wenn's schon Quadro heißt? Die Antworten sind einfach: Über Eigennamen kann man nicht streiten, und so nannten einige Schweizer Roller-Spezialisten ihre Marke nun mal 'Quadro'. Und vier Räder bieten sie ebenfalls an, für noch mehr Grip. Doch hier geht es um weniger: Auch der Dreirad-Scooter Quadro3 weiß mit mehr Reifenhaftung auf der Vorderachse zu gefallen als ein klassischer Roller mit zwei Rädern.


Das Ding gibt Rätsel auf: Wieso Quadro und nicht Quattro? Und wieso drei statt vier Räder, wenn's schon Quadro heißt? Die Antworten sind einfach: Über Eigennamen kann man nicht streiten, und so nannten einige Schweizer Roller-Spezialisten ihre Marke nun mal "Quadro". Und vier Räder bieten sie ebenfalls an, für noch mehr Grip. Doch hier geht es um weniger: Auch der Dreirad-Scooter Quadro3 weiß mit mehr Reifenhaftung auf der Vorderachse zu gefallen als ein klassischer Roller mit zwei Rädern. Weiterer großer Vorteil des eidgenössischen Dreirads: Man darf es mit dem Autoführerschein Klasse B bewegen, wenn man mindestens 21 Jahre alt ist. Also eine ideale Lösung für nicht-Biker, die auch mal voll im Fahrtwind hängen wollen? Der Test des Motor-Informations-Dienstes (mid) verrät mehr.

Die Idee war zuerst nicht ganz bis zum Ende gedacht: Der italienische Piaggio-Konzern (mit Marken wie Aprilia, Moto Guzzi und Vespa) brachte 2006 den dreirädrigen MP3 auf den Markt - mit dem Kürzel war nicht der gleichnamige revolutionäre Audio-Standard des Fraunhofer Instituts gemeint, sondern ein ebenfalls revolutionärer Roller mit zwei Vorderrädern. Erst nach und nach kamen findige Piaggio-Händler darauf, mit Hilfe von Abstandsbuchsen die Vorderachse etwas zu verbreitern. Und damit war die Voraussetzung geschaffen, dass man den neuartigen Scooter auch mit Autoführerschein bewegen durfte. Eingefleischte Biker, die schon ein Zweirad-Roller kaum überzeugen kann, rümpften darüber stets die Nase. Aber: Wer sich nicht traut, ein ungleich leichter umkippendes, einspuriges Fahrzeug zu bewegen, ist auf dem MP3 oder seinem späteren Konkurrenten Quadro3 erstmal gut aufgehoben: Schräglage ohne Angst, hohe Wendigkeit und leichtes Parken in der Großstadt, dazu Frischluft-Feeling wie auf einem traditionellen Roller.

Der Clou am Quadro3 ist die zweirädrige Vorderrad-Konstruktion - das sogenannte "hydraulisch-pneumatische Neigesystem" namens HTS (Hydraulic Tilting System). Hersteller Quadro verspricht vollmundig "Fahrsicherheit, Fahrkomfort und Fahrspaß". Unsere Testfahrten haben alle drei Punkte bestätigt, allerdings mit gewissen Einschränkungen. Zur Sicherheit: Tatsächlich liegt die zweirädrige Vorderachse satt und schier unbeirrbar auf der Straße. Rutschige Fahrbahn, Schlaglöcher oder sogar das Überqueren eines Randsteins verlieren ihre Schrecken, nasses Laub im Herbst verwandelt sich vom Schreckgespenst in lässig hingenommene Routine. Zwei Reifen haften doppelt so gut wie einer, diese physikalische Tatsache spürt der Quadro3-Fahrer mit zunehmender Vertrautheit immer mehr und reizt sie immer weiter aus.

Mit der Stabilität und daraus folgender Sicherheit geht auch Komfort einher. Das beginnt schon beim Abstellen des Rollers, den man per hochgeschobenem roten Hebel absolut in der Waage hält. Oder in der Schräge, wenn man will: Auch im Stand lehnt sich das Schweizer Dreirad zur Seite und lässt sich hier fixieren - nur so als Gag. Entscheidend aber ist: In Fahrt neigt sich das HTS bis zu 40 Grad nach beiden Seiten und ermöglicht atemberaubende Schräglagen. Allerdings: In Fahrt merkt man dem Zwillings-Vorderrad eine gewisse Trägheit an, in Schräglage zu gehen. Im Vergleich zum Einzel-Vorderrad eines klassischen Rollers ist dies gewöhnungsbedürftig. Im Skirennsport wäre der Schweizer Dreirad-Scooter deshalb kein superagiler Slalomläufer oder pfeilschneller Abfahrer, sondern der Riesenslalom mit gleichmäßigen Schwüngen wäre seine Paradedisziplin. Wer den Vergleich zum klassischen Zweirad nicht kennt, weil er nur einen Auto-Führerschein besitzt, wird sich an der eigenwilligen Dynamik überhaupt nicht stören, sondern sie schnell genießen lernen.

Auch beim Rangieren fällt etwas auf: Bewegt man zum Beispiel den Quadro3 rückwärts aus der Garage heraus, so wirkt das Vorderradsystem schwerfällig. Allerdings punktet der Triple-Roller zum Ausgleich dafür mit nur 220 kg fahrfertigem Leergewicht - das macht ihn unter den Dreirad-Scootern mit Abstand zum Leichtesten seiner Art. Denn die direkten Rivalen Piaggio MP3 Sport 500 i.e. (270 kg) und Peugeot Metropolis Allure (265 kg) schleppen wesentlich mehr Ballast mit sich herum. Das gleicht das Leistungsdefizit des Quadro3 (29 PS) gegenüber seinen Rivalen (Piaggio 39 PS, Peugeot 36 PS) etwas aus. Und: Der Schweizer ist mit Abstand der Günstigste im Dreirad-Trio: Derzeit (noch bis 30. September) kostet er aufgrund einer Sommeraktion 6.595 Euro. Aber selbst danach wird er mit 7.295 Euro erheblich günstiger bleiben als Piaggio (9.990) und Peugeot (9.499).

Dafür bietet er alle Annehmlichkeiten, die man sich von einem modernen Midsize-Roller wünschen kann. Praktische Ablagen und ein geräumiges Helmfach erleichtern den Alltag, vielseitiges Zubehör erweitert auf Wunsch den möglichen Stauraum etwa in Form eines Topcase. Der Komfort bleibt auch auf längeren Strecken erhalten. Die Sicherheit wird durch ein Drei-Scheiben-Kombibremssystem erhöht, bei dem alle verfügbaren Bremsen aktiviert werden, sobald man einen von zwei Hebeln zieht oder das rechte Bremspedal drückt. 29 PS, die der Einzylindermotor aus 346 ccm Hubraum entwickelt, erscheinen ausreichend im überwiegenden städtischen Einsatz. Nur zu zweit und beim Überholen auf der Landstraße vermisst man einige Pferdestärken. Unser Testverbrauch lag mit 4,3 l/100 km nur unwesentlich über der Herstellerangabe (4,1). Das arg futuristische Design und die Materialauswahl mit reichlich Kunststoff sind zwar Geschmackssache bzw. bieten Anlass zur Kritik, liegen aber beide auf dem in dieser Scooter-Klasse üblichen Niveau. Davon weicht nur die klassische Vespa wohltuend ab, aber die gibt's eben nur mit zwei Rädern.

Unterm Strich drängt sich der Eindruck auf: Versierte Roller- oder gar Motorradfahrer werden auf ein Dreirad wie den Quadro3 höchstens als Allwetter-Fahrzeug zurückgreifen, mit dem man sogar relativ sicher über winterlich glatte Straßen fahren kann. Ansonsten kommt für sie ein solches Gefährt kaum in Frage. So richtig in die Zielgruppe fallen dagegen jene Nicht-Biker, die mit ungewöhnlich sicherem Gefühl echtes luftiges Zweirad-Feeling genießen wollen - wenn auch mit drei Rädern.

Ralf Schütze / mid

Technische Daten Quadro3:
Wassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor mit vier Ventilen pro Zylinder, Hubraum 346 cm3, max. Leistung 21,2 kW (29 PS) bei 7000 U/min, max. Drehmoment 31,8 Nm bei 5500 U/min, stufenlose Variomatik.
Stahlbrückenrahmen, vorne hydraulisch-pneumatisches Neigungssystem "Hydraulic Tilting System" (HTS) mit 40 Grad Neigungswinkel links und rechts, vorn Teleskop-Gabel mit 35 mm Tauchrohrdurchmesser, hinten Doppelfederbein (100 mm Federweg, vorn Doppelscheibenbremse, Durchmesser je 240 mm, hinten Einscheibenbremse, Durchmesser 256 mm, Reifen vorn 110 / 80-14 31M, hinten 140 / 70-15 66M, Sitzhöhe 800 mm, Radstand 1560 mm, Tankinhalt 13,2 Liter, Leergewicht 220 kg, zul. Gesamtgewicht 480 kg.
Höchstgeschwindigkeit 125 km/h, Testverbrauch 4,3 l/100 km, Preis: 6.595 Euro (bis 30.9.2018, danach 7.295 Euro).

Der Artikel "Quadro3: Zweirad-Feeling auf drei Rädern" wurde am 21.08.2018 in der Kategorie News von Ralf Schütze mit den Stichwörtern Praxistest, Test, Dreirad, Roller, News, veröffentlicht.

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