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mid-Kommentar: Sedric soll es für VW richten

7. März 2017, 09:42 Uhr
Michael Kirchberger
Die einst glanzvolle Selbstinszenierung der VW-Konzernmarken fällt in diesem Jahr deutlich bescheidener als in der Vergangenheit aus. Vor drei Jahren noch fanden sich über 2.000 Medienvertreter zum General-Event am Vorabend des Automobilsalons ein, diesmal sind es gerade einmal 500 Journalisten, die der großen Neuheiten-Schau von mehr als einem Dutzend Marken beiwohnen. Dabei ist die Zahl der wirklich wichtigen Premieren überschaubar.


Die einst glanzvolle Selbstinszenierung der VW-Konzernmarken fällt in diesem Jahr deutlich bescheidener als in der Vergangenheit aus. Vor drei Jahren noch fanden sich über 2.000 Medienvertreter zum General-Event am Vorabend des Automobilsalons ein, diesmal sind es gerade einmal 500 Journalisten, die der großen Neuheiten-Schau von mehr als einem Dutzend Marken beiwohnen. Dabei ist die Zahl der wirklich wichtigen Premieren überschaubar, wieder einmal ein noch stärkerer Lamborghini hier, ein paar Porsche-Derivate dort und bei VW selbst steht der Arteon zu bewundern, der als legitimer Nachfolger des coupéartigen Passat CC durchgeht. Auch Seat kann mit einem neuen und wohlgeformten Ibiza erfreuen, doch das alles wird nicht mehr wie früher stil- und eindrucksvoll inszeniert. Keine Artisten, keine namhaften Pop-Diven oder Klavier-Virtuosen, die der Show Gewicht geben, stattdessen meldet sich der Konzern selbst mit den markigen Worten des Vorstands Matthias Müller zu Wort.

Der sagt: 2016 war für den Volkswagen Konzern ein anspruchsvolles, aber auch sehr erfolgreiches Jahr. Maßgeblich geprägt von der Auf- und Abarbeitung der Diesel-Krise, und trotz Gegenwinds auf wichtigen Märkten konnte der Volkswagen-Konzern mit einer starken Leistung im operativen Geschäft überzeugen. In der Tat, Müller spricht von einer Diesel-Krise und nicht von einem einzigartigen Betrugsfall, mit dem deutsche Automobilbauer vorsätzlich und im Sinn der eigenen Vorteilsname staatliche Prüf- und Genehmigungsbehörden und vor allem Millionen von gutgläubigen Kunden arglistig getäuscht haben. Während andere Hersteller die aufwändige und teure SCR-Abgasreinigung für den Diesel anwenden mussten und deshalb am Markt einen Preis- oder Gewinnnachteil in Kauf genommen haben, konnten sich VW und die angeschlossenen Marken mit perfider Mogelei erhebliche Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Wie auch immer, jetzt soll alles anders werden. Elektrisch und autonom sieht die Zukunft aus, die neben den etwa zwei Dekaden, die uns der Verbrennungsmotor nach Ansicht Müllers noch begleiten wird, ein Erfolgsmodell werden soll. "Sedric" heißt das Wunderwerk des Konzerns, das selbstständig fahren kann, dies emissionsfrei tut und überhaupt in die vernetzte Welt von heute und morgen eingewoben ist. Zu fragen ist jedoch: Was ist daran neu und erhellend?

Bereits vor Jahren hat Daimler im Badischen und in den Vereinigten Staaten mit realen Fahrten im öffentlichen Straßenverkehr unter Beweis gestellt, dass die Technik des autonomen Fahrens zwar noch nicht bis zur Gänze beherrschbar, aber doch in einem durchaus fortgeschrittenen Entwicklungsstatus ist. Die F-Forschungs-Fahrzeuge aus Stuttgart haben nicht nur gezeigt, dass sie fahrerlos unterwegs sein können, sondern ihren Passagieren mit Infotainment, kompromissloser Konnektivität und überhaupt allen Errungenschaften der Datentausch-Gesellschaft jegliche vermeintlichen Vorzüge der neuen Zeit gewähren können.

Der Sedric, dessen Name identisch mit dem des ersten Todesopfers aus dem Harry-Potter-Epos ausgesprochen wird, das im dritten Teil der Serie beim Trimagischen Turnier als Opfer des Erzbösen Lord Voldemort stirbt, kann all das auch. Das Self-Driving-Car, daraus ergibt sich die Abkürzung Sedric, ist keine wirkliche Innovation, sondern eine längst überfällige Bündelung der einzelnen Forschungsergebnisse der Konzernmarken, die lange genug ihre eigenen Süppchen gekocht haben.

Gleichwohl ist VW in der weltweiten Rangliste der Autobauer ganz nach vorne gerückt. 10,3 Millionen Kunden haben uns ihr Vertrauen geschenkt, so Konzern-Chef Matthias Müller. Er verspricht rund 60 neue Fahrzeuge bis 2025, 30 davon sollen rein elektrisch fahren können. Das ist schön zu hören, doch hätten wir, als traditionelle VW-Freunde, mehr erwartet. Es klingt wie der Versuch einer Wiedergutmachung der Abgas-Mogelei, die so nicht gelingen kann. Es ist an der Zeit, die VW-Denkmuster grundlegend neu zu formulieren, beginnend bei völlig überzogenen Vorstandsgehältern und Abfindungssummen und mit einer Neupositionierung der Produkte und ihrer Technik.

Michael Kirchberger / mid

Der Artikel "mid-Kommentar: Sedric soll es für VW richten" wurde am 07.03.2017 in der Kategorie New Mobility von Michael Kirchberger mit den Stichwörtern Auto, Messe, Autonomes Fahren, Elektroauto, New Mobility, veröffentlicht.

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