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mid-Kommentar: Wer bei der Maut die Fäden zieht

2. Dezember 2016, 13:28 Uhr
Wolfgang Peters
Jetzt hat sich Maut-Minister Dobrindt wohl mit Schützenhilfe von ganz oben durchgesetzt: Deutschland wird ungefähr zum Jahreswechsel 2017/2018 eine Pkw-Benutzungsgebühr für Bundesstraßen und Autobahnen erheben dürfen. Und damit kann Dobrindt auch den Wahlschlager 'Ausländer zahlen endlich auf deutschen Straßen' liefern. Ein Kommentar von mid-Autor Wolfgang Peters.


Beobachter reiben sich die Augen und können es kaum glauben: Vor laufenden Kameras liegen sich der Herr Dobrindt aus Berlin und die Frau Bulc aus Brüssel in den Armen, herzen sich, und jeder kann das junge Glück bewundern. Nur wenige Tage zuvor hatten der deutsche Verkehrsminister und die slowenische EU-Kommissarin mit Zuständigkeit für Verkehr noch strenge Noten über ihre konträren Auffassungen zur Ausgestaltung eines verkehrspolitischen Sonderfalls gewechselt.

Doch Maut-Minister Dobrindt hat sich jetzt wohl mit Schützenhilfe von ganz oben durchgesetzt: Deutschland wird ungefähr zum Jahreswechsel 2017/2018 eine Pkw-Benutzungsgebühr für Bundesstraßen und Autobahnen erheben dürfen. Frau Bulc legt ihre Klage dagegen unerwartet auf Eis, Dobrindt kann ob seines populistischen Erfolgs erstmal aufatmen und seinem CSU-Parteioberen Seehofer den Wahlschlager "Ausländer zahlen endlich auf deutschen Straßen" liefern. Da hat wohl EU-Kabinettschef Juncker im Hintergrund mit seinem feinen Lächeln die Fäden gezogen.

Schmackhaft hatte Dobrindt seinen Straßenzoll mit einer neuen Kompromiss-Staffelung der Vignetten gemacht, die billigste kostet 2,50 Euro, wer hätte da noch nein sagen können? Die einstige Basketballspielerin Bulc legte für Verkehrsminister Dobrindt dann den Gewinner-Ball in den Korb und dieser sonnt sich im eitlen Gefühl, es allen recht gemacht zu haben: Schadstoffarme Autos werden in Deutschland gefördert, Elektro-Fahrzeuge fahren mautfrei, 500 Millionen Euro sind als Maut-Erlös im Gespräch und deutsche Autofahrer sollen über die Kfz-Steuer mit rund 100 Millionen entlastet werden. Unter dem Strich soll für sie keine Belastung entstehen, Ausländer müssen zahlen, es entsteht eine Vignetten-Staffelung für die Autobahn, die Bundesstraßen aber bleiben frei für Ausländer, die sich bei der Durchreise mit ihrem Wohnwagen am Haken nicht unbedingt als Verkehrsbeschleuniger erweisen werden.

Gleichzeitig erwächst ein deutsches Bürokratie-Monster, ungefähr 500 neue Mitarbeiter bekommen amtliche Arbeitsstellen zur Ausgabe und Überwachung der Vignetten. Kontrolle muss schließlich sein, ob der Überwachungsstaat die künftig noch schärferen Bewegungsprofile seiner Bürger wieder vergisst oder sie archiviert, das weiß noch keiner. So bleibt die Erkenntnis, dass dem Autofahrer eine Maut auferlegt wird, die ihm jede Menge an Bürokratie (Umzug, Autoverkauf, Abmeldung und Erstattung) ins Haus treibt. Und es wird der Verdacht genährt, die Straßenabgabe könnte jährlich steigen, die deutsche Kompensations-Regelung ausgetrocknet werden und alsbald wegfallen. Sollte der Soli für den Aufbau-Ost nicht auch wieder abgeschafft werden?

Wolfgang Peters

Der Artikel "mid-Kommentar: Wer bei der Maut die Fäden zieht" wurde am 02.12.2016 in der Kategorie News von Wolfgang Peters mit den Stichwörtern Kommentar, Maut, News, veröffentlicht.

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