Fahrbericht

Indian Chief Dark Horse: Punk trifft Klassik

18. November 2016, 14:09 Uhr
Mirko Stepan
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Bei der Chief Dark Horse krempelt Indian den eigenen Retro-Look so konsequent um, dass man meinen könnte, die Marke wolle eine Revolution gegen die anhaltende Classic-Welle anzetteln. Chromteile, so weit das Auge reicht? Gibt es nicht, lediglich die Auspuffrohre und die Zierblenden auf den Schutzblechen glänzen um die Wette.

Wenn Karl May die Indian Chief Dark Horse gekannt hätte, wäre Winnetou nicht im Wildleder-Strampelanzug in den Kampf gegen das Böse gezogen, sondern in verschlissener Lederjacke mit Nietenbesatz - und auf einem matt-schwarzen eisernen Schlachtross.

Mit der Indian-Chief-Baureihe hat die US-Marke das Äußere der klassischen Indian-Motorräder am konsequentesten ins 21. Jahrhundert übertragen. Stilelemente wie die weit heruntergezogenen Schutzbleche, der massive Scheinwerfer und natürlich die Indianerkopf-Skulptur - "Warbonnet" genannt - auf dem Front-Fender gehören seit den 1940er Jahren zum Erscheinungsbild der Chief, die 1922 eingeführt worden war. Und es sind die Erkennungsmerkmale der Marke, die Details, die jeder Motorrad-Fan sofort mit Indian in Verbindung bringt. Konsequenterweise finden sie sich auch bei den aktuellen Chief-Modellen, und zwar in Kombination mit glänzender Lackierung und viel Chrom - echte Cruiser eben.

Nicht so bei der Chief Dark Horse. Hier krempelt Indian den eigenen Retro-Look so konsequent um, dass man meinen könnte, die Marke wolle eine Revolution gegen die anhaltende Classic-Welle anzetteln. Chromteile, so weit das Auge reicht? Gibt es nicht, lediglich die Auspuffrohre und die Zierblenden auf den Schutzblechen glänzen um die Wette. Farbenfrohe Lackierung? Fehlanzeige! Eine Dark Horse in knalligem Rot wäre seltsam, und selbst Hochglanz-Schwarz ist beim Punker unter den Retro-Indians tabu: Die Maschine ist also ausschließlich in Matt-Schwarz zu haben. Nicht nur Tank, Schutzbleche und Scheinwerfer- und Seitenverkleidung tragen die Lackierung "Thunder Black Smoke", auch der mächtige Thunder Stroke 111 V-2-Motor mit 1811 Kubikzentimeter Hubraum. 62 kW/84 PS leistet das Aggregat, was zunächst etwas mager klingt.

Aber schon nach den ersten Metern auf dem schwarzen Schlachtross wird klar, dass ausreichend Power zur Verfügung steht. Für Fahrspaß sorgt das Drehmoment von 139 Newtonmeter, das bereits bei 2.600 Umdrehungen pro Minute anliegt. Die Chief Dark Horse reagiert sofort auf jede Drehung am Gasgriff und hat genügend Dampf für kurze Zwischenspurts, etwa beim Überholen. Trotz des Gewichts von 357 Kilo mit gefülltem 20,8-Liter-Tank.

Das Gewicht macht sich auf Strecken mit engen Kurven bemerkbar, ebenso wie die wuchtigen Abmessungen, hier wird die Motorradtour zum Arbeitseinsatz. Und auch Rangieren ist mit der Indian kein Spaß. Am besten fühlt sich die Maschine an, wenn sie sanft geschwungene Straßen unter den Rädern hat - dann lässt sie sich äußerst schaltfaul fahren und man kann im sechsten Gang gemütlich durch die Landschaft cruisen. Allerdings nie mit Sozius oder Sozia, denn zum reduzierten Look des Bikes gehört auch ein Einzelsitz. Dank Tempomat lässt sich dann aber das gewünschte Tempo für den einsamen Ausritt programmieren.

Technisch ist die Chief Dark Horse auf dem neuesten Stand: ABS ist Serie, das digitale Instrument auf dem Tank beinhaltet Drehzahlmesser, Tankanzeige, Kilometerzähler, zwei Tageskilometerzähler Ganganzeige und noch einiges mehr, was für den Fahrer wissenswert ist. Sogar ein Keyless-Go-System ist an Bord, also das Starten des Motors ohne Zündschlüssel. Das ist komfortabel, da der "Key Fob", so heißt der Schlüsselersatz, in der Hosentasche bleiben kann. Allerdings hat sich Indian hier auch den einzigen schlimmen Schnitzer geleistet: Der riesige Plastik-Startknopf im Tank-Dash sieht aus, als wäre er aus dem Teilesortiment eines asiatischen Herstellers für Billig-TV-Geräte - das ist angesichts der Liebe zum Detail extrem schade - auch mit Blick auf den Preis von 20.990 Euro.

Zum Glück kennen Indianer bekanntlich keinen Schmerz - so lässt sich diese kleine Nachlässigkeit auch wegstecken.

Mirko Stepan

Technische Daten Indian Chief Dark Horse:
Straßenmotorrad mit flüssigkeitsgekühltem V-Twin, Hubraum: 1.811 ccm, Bohrung x Hub: 101 x 113 mm, max. Leistung: 62 kW/84 PS, max. Drehmoment: 138,9 Nm bei 2.600/min, elektronische Kraftstoffeinspritzung, 6-Gang-Getriebe

Fahrwerk: Teleskopgabel mit 46 mm Standrohrdurchmesser und 119 mm Federweg vorn, Federbein mit 94 mm Federweg hinten, Zweischeibenbremse mit 300 mm großen schwimmenden Bremsscheiben und Vierkolben-Bremszange vorn, Einscheibenbremse mit 300 mm großer schwimmender Bremsscheibe und Einkolben-Bremszange hinten, ABS, Reifen vorne: 130/90B16 73H, hinten: 180/65B16 81H, Gussräder; Maße: Länge: 2,63 m, Radstand: 1,73 m, Sitzhöhe: 0,66 m, Trockengewicht: 341 kg, Tankinhalt: 20,8 l. Preis: ab 20.990 Euro.

Der Artikel "Indian Chief Dark Horse: Punk trifft Klassik" wurde am 18.11.2016 in der Kategorie Fahrbericht von Mirko Stepan mit den Stichwörtern Motorrad, Fahrbericht, Test-Bericht, Pressevorstellung, Test, Bericht, Kurztest, Vorstellung veröffentlicht.

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