Entwicklung

Mercedes-Motoren: Hubraum runter, Leistung rauf

28. Oktober 2016, 20:01 Uhr
Klaus Brieter
Mercedes entwickelt schwungvoll neue Benzin- und Dieselmotoren, die bereits künftige Verbrauchs- und Abgasgrenzwerte einhalten sollen. Technischen Finessen treiben die Leistungen nach oben und die Verbräuche nach unten. Die Spanne der neuen Triebwerke umfasst Vier-, Sechs- und Achtzylinder.

Die Motoren-Entwickler bei Mercedes können ihre Begeisterung kaum noch im Zaum halten. Deswegen ließen sie sich beim "TecDay Engines" ausnahmsweise sehr tief in die Karten blicken. Alles wurde jedoch nicht verraten, denn das Feuerwerk der neuen Triebwerke, das der neue Vierzylinder-Diesel (OM 654) in diesem Jahr im Mercedes E 220 d zündete, hat erst begonnen. Es wird 2017 fortgesetzt, insgesamt verrichten dann drei neue Benziner und zwei neue Diesel unter den Mercedes-Motorhauben ihren Dienst.

Die neue Motorenfamilie ist modular aufgebaut, was sich in jeweils identischen Zylinderabständen und Hubräumen je Kolben manifestiert. Das hilft bei einer flexiblen Fertigung der kompletten Motorenreihe. Der Serienstart fast aller künftigen Triebwerke ist zunächst für die erneuerte S-Klasse vorgesehen, die im nächsten Jahr erwartet wird.

Los geht es mit einem Vierzylinder Benziner (M 264), der aus zwei Liter Hubraum rund 198 kW/270 PS zaubert. Dabei soll er deutlich weniger Sprit verbrauchen als ein etwa gleichstarker Sechszylinder. Durch eine ausgeklügelte Turbolader-Technik, bei der je zwei Zylinder zusammengefasst sind, ist nicht nur eine hohe Leistungsausbeute garantiert: Auch das Durchzugsvermögen bei niedrigen Drehzahlen kann sich sehen lassen. Der über einen Riemen angetrieben 48-Volt-Generator gehört ebenfalls zu den Besonderheiten des Neulings. Der Generator treibt nicht nur die Wasserpumpe elektrisch an, sondern sorgt in seiner Hybridfunktion auch für ein harmonisches Hochlaufen des Motors, sowie für mehr Schubkraft im Drehzahlbereich bis 2500/min.

Im Mittelbereich der Ottomotoren tritt der neue Dreiliter-Reihensechszylinder (M 256) mit 300 kW/408 PS an. Auch hier sorgt ein direkt angeflanschter 48-Volt-Generator dafür, dass Hochverbraucher wie Wasserpumpe und Klimakompressor ohne Riemen elektrisch angetrieben werden können. Zudem kann er den Motor, der beim "Segeln" (tritt beim Gaswegnehmen auf) abgeschaltet wird, beim Wiederbeschleunigen butterweich hochfahren oder beim zügigen Sprint mit zusätzlichem Dampf versorgen. Beim Bremsen wird per Rekuperation Energie zurückgewonnen. Für die Abgasreinigung sorgt ein Partikelfilter, der wegen seiner Nähe zu den Brennräumen sehr effektiv arbeitet.

Am oberen Ende geht ein neuer Vierliter-V8-Biturbo (M 176) ins Rennen, der bei niedriger Leistungsanforderung vier Zylinder abschaltet und für den Fahrer unmerklich dann nur noch nur auf vier Töpfen läuft. Mit 350 kW/476 PS übertrifft er den Vorgänger um rund 15 kW/20 PS - bei identischem Drehmoment von 700 Newtonmeter ab 2000/min. Der Dampfhammer soll mit zehn Prozent niedrigerem Spritverbrauch glänzen. Auch innermotorisch hat Mercedes bei diesem Treibsatz alles aufgeboten, was für die perfekte Verbrennung und geringe Reibung sorgt. Die beiden Turbolader sind oben zwischen den Zylinderbänken wie in einem v-förmigen Nest positioniert.

Bleibt noch der neue Reihensechszylinder-Diesel (OM656). Seine 230 kW/313 PS machen ihn zum souveränen Langstrecken-Sportler. Eine Besonderheit seiner Konstruktion ist die Kombination aus Aluminium-Motorengehäuse und kompakten, leichten Stahlkolben. Die spezielle Kolbenform und das Einspritzverfahren lassen den Partikelausstoß deutlich sinken, was dann noch an Schadstoffen in den Abgastrakt geht, wird über einen sehr effektiven Filter inklusive AdBlue-Einspritzung und SCR-Katalysator aufgefangen. Eine innovative Mehrwege-Abgasrückführung (AGR) sorgt zudem dafür, dass die optimale Reinigung schon viel früher nach dem Kaltstart als bisher einsetzt. Alle Maßnahmen zur Verbrauchs- und Abgasverringerung werden zudem von einer schaltbaren Auslassnockenwelle unterstützt.

Erst kürzlich konnten die Entwickler in Sindelfingen ein neues Antriebsintegrationszentrum (AIZ) beziehen, dass sich der Arbeitgeber eben mal 600 Millionen Euro hat kosten lassen. In diesem Komplex sind Prüfstände integriert, die künftig etliche Testfahrten auf der Straße unnötig machen. In Kammern, die unterschiedlichste Klimabedingen - zum Beispiel Fahrten bis zu 5000 Höhenmetern - simulieren können, werden Prozessabläufe optimiert, die im Antrieb aller denkbaren Situationen im Auto auftreten. Ob es um Schaltvorgänge im Getriebe oder das Schwingungsverhalten bei dynamischer Kurvenfahrt geht: In diesen Labors werden den unterschiedlichen Modellen vom Kleinwagen bis zur S-Klasse und vom SUV bis zum Pick-up die jeweils typischen Charaktereigenschaften anerzogen, die der Kunde in der jeweiligen Fahrzeugklasse erwartet.

Klaus Brieter

Der Artikel "Mercedes-Motoren: Hubraum runter, Leistung rauf" wurde am 28.10.2016 in der Kategorie News von Klaus Brieter mit den Stichwörtern Entwicklung, Motor, Diesel, Turbolader, News, veröffentlicht.

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