Automarkt

Das bedeutet der Brexit für die Autobranche

24. Juni 2016, 12:21 Uhr
Mirko Stepan
Das Votum der britischen Bevölkerung für einen Austritt aus der Europäischen Union schlägt nicht nur in der Politik hohe Wellen. Und was ist mit den Auswirkungen auf die Automobilindustrie? Darüber hat der mid mit den Branchenkennern Ferdinand Dudenhöffer und Stefan Bratzel gesprochen. Die Experten geben ganz unterschiedliche Prognosen ab.


Das Votum der britischen Bevölkerung für einen Austritt aus der Europäischen Union schlägt nicht nur in der Politik hohe Wellen. Welche Auswirkungen die Entscheidung auf die Automobilindustrie hat, wollte der Motor-Informations-Dienst (mid) von den Branchenkennern Professor Ferdinand Dudenhöffer und Professor Stefan Bratzel wissen. Die Experten geben ganz unterschiedliche Prognosen ab.

"Bei nüchterner Betrachtung erscheint in der Autobranche ein Brexit längst nicht so gefährlich, wie ihn viele Verbände und Unternehmen an die Wand malen", teilt Professor Ferdinand Dudenhöffer mit, Direktor des CAR-Instituts sowie Inhaber des Lehrstuhls für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. Die Autowelt gehe durch einen Brexit nicht unter.

Für die weltweiten Autoverkäufe erwartet er keine spürbaren Konsequenzen. Laut Dudenhöffer ist England ein gesättigter Automarkt mit einem Anteil von drei Prozent am weltweiten Neuwagenmarkt. "Können drei Prozent einen Untergang der Branche auslösen? Gehen wir mal davon aus, es kommt ganz schlimm, dann bricht der Automarkt in England um 50 Prozent ein. Der Weltmarkt würde dann um 1,5 Prozent sinken. Selbst bei vorsichtigen Prognosen würde der erwartete Zuwachs in China die 1,5 Prozent ausgleichen. Mittelfristig würden diese Verluste, so wie in jedem gesättigten Markt wieder aufgeholt. Wir verlieren also nur zeitweise - und das in einem vertretbaren Maß", so Dudenhöffer.

Auch hinsichtlich der Auswirkungen eines möglicherweise schwachen britischen Pfunds auf deutsche Autobauer bleibt Dudenhöffer gelassen. Für die Autobauer BMW, Ford und Opel, die in Großbritannien Werke betreiben und daher auch Finanztransaktionen in Pfund tätigen, ist aus seiner Sicht das Wechselkursrisiko gering, das außerdem zum Geschäft der Autobauer gehöre. Der Volkswagen-Konzern und Daimler tragen demnach ein höheres wirtschaftliches Risiko durch schlechtere Kurse.

Etwas pessimistischer ist die Einschätzung vom Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, Professor Stefan Bratzel. "Der Brexit wird merkliche negative Auswirkungen auf die Automobilindustrie haben, die im Einzelnen noch gar nicht abschließend bewertet werden können." Am stärksten werden laut Bratzel die Hersteller und Zulieferer betroffen sein, die Produktionsanlagen in Großbritannien besitzen, weil deren direkten und indirekten Kosten steigen würden.

Den stärksten Negativeffekt erwartet Bratzel für die britische Automobilindustrie. Der Standort außerhalb der EU werde an Attraktivität verlieren. "Es ist mittelfristig mit Standortverlagerungen von der Insel in die EU zu rechnen. Mit dem Brexit werden sich auch Akteure der Automobilindustrie von der Insel abwenden", so der Experte.

Anders als sein Kollege hat Dudenhöffer sogar einen Gewinner ausgemacht: Nissan. Der japanische Autobauer produziere rund 500.000 Fahrzeuge in England jährlich und würde daher von einer Abwertung des Pfunds profitieren.

Sanktionen nach dem Votum, wie sie die EU beispielsweise gegenüber Russland verhängt hat, erwartet Dudenhöffer nicht. Man werde wie vernünftige Menschen miteinander umgehen und die präferierten Handelsvereinbarungen nicht auflösen. Niemand würde durch den Rückfall in eine Zeit der Zoll- und Handelshemmnisse gewinnen.

Mirko Stepan

Der Artikel "Das bedeutet der Brexit für die Autobranche" wurde am 24.06.2016 in der Kategorie News von Mirko Stepan mit den Stichwörtern Automarkt, Autokauf, Automobilzulieferer, Automobilindustrie, News, veröffentlicht.

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