Automobilindustrie

Aschermittwoch alle Tage: Leiden Mini, Nissan und Co. bald unter dem Brexit?

9. Februar 2016, 12:51 Uhr
Michael Kirchberger
Die Briten überlegen langsam. Bleiben sie Mitglied der EU oder suchen sie ihr Heil im nationalen Alleingang? Der Ausstieg der Industrialisierungs-Pioniere hätte erhebliche Auswirkungen auf die Automobilproduktion des Landes.


Die Briten überlegen langsam. Bleiben sie Mitglied der EU oder suchen sie ihr Heil im nationalen Alleingang? Premier David Cameron wird zwar nicht müde zu betonen, dass der Verbleib seines Landes in der Gemeinschaft zum Vorteil für alle gereichte. Die Geißel der Union, die seiner Meinung nach zu fest auf die Selbstständigkeit der Briten eindrischt, sei jedoch nicht zumutbar.

Wie auch immer - der Ausstieg der Industrialisierungs-Pioniere hätte erhebliche Auswirkungen auf die Automobilproduktion des Landes. Für die wäre nach einem Brexit in Zukunft jeder Tag ein Aschermittwoch. Denn Großbritannien war eine große Auto-Nation und ist es noch heute. Zwar gibt es keinen englischen Volumenhersteller mehr auf der Insel, der in eigener Regie und völlig unabhängig produziert, doch sind viele der altehrwürdigen Automobil-Unternehmen unter behütende Dächer geschlüpft. Ob Mini oder Rolls-Royce, Bentley oder Jaguar, die großen Namen haben bislang überlebt. Und es haben sich andere Anbieter mit ihren Werken und Entwicklungsabteilungen angesiedelt. Man schätzt die britische Ingenieurskunst eben.

Zwar regiert Britannia die Straßen längst nicht mehr, doch kommt auch heute noch eine erkleckliche Zahl von Automobilen aus England. Rund 1,4 Millionen Fahrzeuge haben die Briten im vergangenen Jahr exportiert. Weniger die heimischen Marken, von denen letztlich nur einige exotische Kleinstserien-Hersteller übriggeblieben sind. Weitaus mehr die Tochtergesellschaften japanischer, indischer oder deutscher Volumenhersteller. Toyota, Nissan, Infiniti, und Honda bauen Autos auf der Insel, Jaguar und Land Rover bejubeln unter der Ägide des indischen Mutterkonzerns Tata aktuell neue Produktionsrekorde, bei Mini laufen die Geschäfte ebenfalls gut. BMW selbst ist im Vereinten Königreich (das bei einem Ausscheren Englands und einem EU-Verbleib Schottlands eher entzweit wäre) mit einer supermodernen Motorenfertigung präsent. In Hams Hall wurde vor rund 15 Jahren mit der Fertigung variabler Ventiltriebe begonnen.

Die Handelshemmnisse, die aus einer Separierung Englands erwachsen würden, kämen den Autokäufer teuer zu stehen. Höhere Steuern und Zölle sowie all die zusätzlichen Kosten, die durch erschwerte Güterabfertigung und dadurch längere Transportzeiten entstünden, würden nicht nur den Briten kaum zu beziffernde Mehrausgaben und Mindereinnahmen bescheren. Sie würden auch die inländischen Fertigungsbetriebe der Hersteller mit einem Tritt in die Hacken aus der Konkurrenzfähigkeit werfen.

Manch ein Unternehmensführer zückt hierfür schon jetzt die gelbe Karte. Carlos Ghosn, Chef von Renault-Nissan und der Edel-Marke Infiniti, bemerkte vor wenigen Tagen, dass die Situation der britischen Betriebe neu überdacht werden müsse, sollte England die EU verlassen. Dennoch sollen schon bald 100 Millionen Pfund in die Modernisierung der Produktionsanlagen im Werk Sunderland fließen, wo Modelle wie Note, Qashqai, X-Trail und das Elektroauto Leaf entstehen. Auch die Infiniti-Baureihen G und FX werden hier produziert.

Gewohnt nachhaltig reagiert dagegen Toyota. Präsident Akio Toyoda sagte der Financial Times als Antwort auf Ghosns unverhohlene Drohung, dass sein Unternehmen den Standort Groß-Britannien nicht aufgeben werde. Der größte Automobilhersteller der Welt produziert in Burnaston in der Grafschaft Derbyshire die wichtigen Baureihen Auris und Avensis für den europäischen Markt. Allerdings, so schränkt die Financial Times ein, geht Toyoda ganz pragmatisch von einem Verbleib der Briten im europäischen Staatenbund aus.

Betroffen wäre weiterhin Honda mit einem Werk in Swindon, wo der Kleinwagen Jazz und der kompakte Civic von den Bändern rollen. Auch Opel-Kunden könnte der britische Austritt treffen, der erfolgreiche Astra kommt nicht nur aus dem polnischen Gliwice zu uns sondern auch aus den Vauxhall-Werkshallen im englischen Ellsemere Port. Ebenso die leichten Nutzfahrzeuge Vivaro und Movano, die in Luton gebaut werden. Ärgerlich dürfte sich eine wirtschaftliche Separierung Englands auch für Jaguar und Land Rover auswirken. Zwar gehen wesentliche Anteile der Produktion nach China und Amerika, doch haben beide Marken vor allem in Europa gerade eines ihrer erfolgreichsten Jahre hingelegt. Allein in Deutschland stiegen die Verkäufe im Vergleich zu 2014 um bis zu 25 Prozent.

Also, liebe Engländer, bitte bleibt mit am europäischen Tisch. Gemeinsam schmeckt es einfach besser und wenn es getrennt zum Lunch geht, werden die Portionen für alle kleiner. Naja, so ist es eben nach Aschermittwoch. Dann beginnt die Fastenzeit.


Michael Kirchberger

Der Artikel "Aschermittwoch alle Tage: Leiden Mini, Nissan und Co. bald unter dem Brexit?" wurde am 09.02.2016 in der Kategorie News von Michael Kirchberger mit den Stichwörtern Automobilindustrie, International, Produktion, News, veröffentlicht.

Weitere Meldungen

22. April 2024

BYD Experience Day mit dem Yangwang U8

Wir sind BYDs Einladung zum "BYD Experience Day" nach Rheinmünster zum Fahrsicherheitszentrum Baden Airpark gefolgt. ...