Fahrbericht

Aprilia Tuono V4 1100 RR: Emanzipiertes Charakter-Bike

22. Mai 2015, 12:02 Uhr
Thilo Kozik (vm)
Konfigurator Versicherungsvergleich Steuerrechner Finanzierung ab 1,99%
Aprilia bricht bei der neuen Tuono mit der traditionellen Auslegung des Modells und bereitet es besser auf den Einsatzzweck als Landstraßen-Motorrad vor. Bei den Vorgängern handelte es sich noch ausnahmslos um der Verkleidung beraubte Supersportler mit gerader Lenkstange. Das erfreute sehr sportlich-orientierte Fahrer, war manchem Normalo aber zu nah an der Rennstrecke.

Aprilia bricht bei der neuen Tuono mit der traditionellen Auslegung des Modells und bereitet es besser auf den Einsatzzweck als Landstraßen-Motorrad vor. Bei den Vorgängern handelte es sich noch ausnahmslos um einen der Verkleidung beraubten Supersportler mit gerader Lenkstange. Im Grunde genommen begründete die Aprilia Tuono mit ihrem ersten Auftritt 2002 das Segment der hüllenlosen supersportlichen Landstraßen-Motorräder. Das erfreute sehr sportlich-orientierte Fahrer, war manchem Normalo aber zu nah an der Rennstrecke. Das hat sich nun geändert.

So kommt die mit dem einzigartigen 65-Grad-V4 ausgerüstete Tuono V4 1100 RR in den Genuss von mehr Hubraum und einem anderen Fahrwerk als der Supersportler RSV4 RF, der für dieses Jahr ebenfalls neu aufgelegt wurde. Das Tuono-Aggregat produziert aus einem auf 1 077 ccm aufgebohrten Hubraum 129 kW/175 PS, deren Schub sich knapp über Standgasdrehzahl sauber dosiert einsetzen lässt. In der Drehzahlmitte zieht der Vau-Vier schon mächtig an, um im oberen Drittel dank 100 Gramm leichterer Pleuel vom österreichischen Spezialisten Pankl noch einmal richtig abzugehen - so strebt die Italienerin fast an jedem Kurvenausgang zum Himmel hin.

Doch der Antrieb kann auch anders, so dass man nämlich schaltfaul mit niedrigen Drehzahlen dahingleitet. Doch ist das nicht nötig, denn ein kurzer Impuls genügt zur Bedienung des Schaltautomaten, mit dem das knapp abgestufte Sechsganggetriebe gute Anschlüsse für maximalen Vortrieb garantiert. Drei Fahrmodi Sport, Track und Race bieten neuerdings allesamt das volle Programm mit 175 PS Spitzenleistung und dem beachtlichen Drehmoment-Maximum von 121 Newtonmeter, der eigentliche Unterschied besteht im spürbar variablen Ansprechverhalten von sanft bis bissig-aggressiv, gleichzeitig ändert sich die Motorbremswirkung. Damit auch jeder dieses phänomenale Triebwerk goutieren kann, sorgt ein fast brüllender Sound für reichlich Aufmerksamkeit.

Doch die ist schnell verflogen, denn die Aprilia hat sich in Windeseile aus dem Staube gemacht. Denn die Handling-freudigere Geometrie mit steilerem Lenkkopfwinkel und knapperem Nachlauf macht die 1 100er sehr agil, der aufgezogene 190er Heckpneu fördert die Handlichkeit spürbar. Die neue Tuono ist sogar so wuselig, dass sie bei Langsamfahrt fast schon kippelig wirkt. Auf den Geraden zwischen den Kurven beweist sie jedoch, dass damit keine Einbußen bei der Geradeauslauf-Stabilität erkauft wurden. Auch nicht, wenn das Vorderrad über Kuppen leicht wird - der nicht einstellbare Lenkungsdämpfer beruhigt die Front nachdrücklich.

Das herzerfrischende Fahrverhalten und das gute Gefühl fürs Motorrad haben aber auch mit der aufrechteren Ergonomie mit weniger verkrampften Handgelenken und dem nachgiebigeren Polster zu tun. Ganz wichtig sind auch die weicher abgestimmten Federelemente aus dem Hause Sachs, die sauber ansprechend und gut gedämpft das Naked Bike besser auf dem Asphalt halten.

Ihren Teil dazu tragen auch elektronische Assistenz-Systeme bei, die die Italienerin sicher und sehr gut beherrschbar machen. Eine achtfach einstellbare Traktionskontrolle greift feinfühlig unter kräftigem gelbem Flackern im Cockpit ein und minimiert den Schlupf am Hinterrad. Genau so sachte greift die in drei Stufen regelnde Wheelie Control ein, die das Vorderrad auch beim engagierten Gasgeben fast unmerklich am Boden hält.

Als letzte Instanz hilft das von einem Race-ABS abgesicherte Stoppersystem gegen ungesunde Übertreibungen. Hier verbeißen sich die bissigeren Beläge der Brembo-Monobloc-Vierkolbenzangen äußerst brachial in die 320er Scheiben und verzögern das lediglich 205 Kilo schwere Gefährt beeindruckend effizient und zugleich transparent. Für das Bosch-Antiblockiersystem stehen drei Abstimmungen zur Verfügung, die allesamt ziemlich supersportlich ausgelegt sind - ein steigendes Hinterrad ist selbst in den sanften Modi bei knackigen Verzögerungen der Fall.

Doch nur hierbei brechen bei der Italienerin die ungezügelten supersportlichen Gene wieder durch, in allen anderen Situationen unterstreicht die Tuono V4 1100 RR ihren frisch geschärften Charakter als sauber austariertes, sportliches Landstraßen-Motorrad. Dazu kommt allerdings noch ein recht sportlicher Preis von 16 490 Euro.

Thilo Kozik/mid

Technische Daten Aprilia Tuono V4 1100 RR:
Straßenmotorrad mit flüssigkeitsgekühltem Vierzylinder-Viertakt-65-Grad-V-Motor, vier Ventile je Zylinder, dohc, Hubraum: 1 077 ccm, Bohrung x Hub: 81,0 x 52,3 mm, max. Leistung: 129 kW/175 PS bei 11 000/min, max. Drehmoment 121 Nm bei 9 000/min, elektronische Kraftstoffeinspritzung, geregelter Katalysator, Sechsganggetriebe, Kettenantrieb, Aluminium-Brückenrahmen, Upside-Down-Telegabel vorn, Zweiarmschwinge mit angelenktem Federbein hinten, Reifen vorn: 120/70 ZR17, hinten: 190/55 ZR17, zwei 320 mm-Bremsscheiben vorn, eine 220 mm-Bremsscheibe hinten, ABS, Sitzhöhe: 825 mm, Tankinhalt: 18,5 l, Leergewicht fahrfertig: 205 kg, zul. Gesamtgewicht: 401 kg, Preis: ab 16 490 Euro.

Der Artikel "Aprilia Tuono V4 1100 RR: Emanzipiertes Charakter-Bike" wurde am 22.05.2015 in der Kategorie Fahrbericht von Thilo Kozik (vm) mit den Stichwörtern Motorrad, Fahrbericht, Präsentation, Test-Bericht, Pressevorstellung, Test, Bericht, Kurztest, Vorstellung veröffentlicht.

Weitere Meldungen

18. April 2024

Citroen C3 Aircross: Erste Bilder

Die dritte Generation des C3 Aircross steht in den Startlöchern. Jetzt zeigt Citroen erste Bilder. Wie der neue C3 ...