Fahrbericht

Test: Volvo V60 T6 - Auf der Drehmomentwelle

3. Mai 2015, 10:09 Uhr
Holger Holzer/SP-X
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Volvo schreitet beim Downsizing der Branche voran und ersetzt seine Sechszylindermotoren konsequent durch Vierzylinder. Das klappt einerseits ganz gut. Andererseits aber...

Volvo kann stolz sein auf seinen neuen Hochleistungs-Vierzylinder. Der 225 kW/306 PS starke Zweiliter-Benziner im Mittelklassekombi V60 ist kultiviert, kraftvoll und nicht gar zu durstig. Interessenten sollten vor Unterschrift des Kaufvertrags aber vielleicht noch warten.

Am Motor liegt das nicht. Das unter der Bezeichnung T6 angebotene Triebwerk ist das Flaggschiff einer neuen Generation von modular angelegten Vierzylinder-Dieseln und Vierzylinder-Benzinern, die bereits in zahlreichen Modellen der Schweden eingesetzt werden und künftig alle älteren Vier-, Fünf- und Sechszylinder ersetzen sollen. Die Schweden wollen durch den Verzicht auf Hubraum und Zylinder vor allem den Verbrauch drücken. Damit das nicht zu Lasten der Leistung geht, haben sie beim T6 im V60 alle Register gezogen.

Zum Beispiel sorgt in dem Vierzylinder nicht wie üblich allein ein Turbolader für Druck in den Brennräumen, sondern zusätzlich ein Kompressor, der auch das Turboloch wirksam stopft. Gemeinsam ziehen sie den großen Kombi aus den Tiefen des Drehzahlkellers machtvoll nach vorn. Die serienmäßige Achtgangautomatik wechselt dabei so aufmerksam und leichtfüßig die Gänge, dass man sich schwimmend wie auf einem gleichmäßigen, mächtigen Drehmomentstrom fühlt. Wer das Gaspedal sanft behandelt, bekommt akustisch von dem Vorgang kaum etwas mit. Nur beim beherzteren Tritt gibt der Vierzylinder ein sonores Knurren von sich. Leistungsentfaltung und Kultiviertheit lassen also zu keiner Zeit den Wunsch nach einem Reihensechszylinder aufkommen. Das gilt erst Recht beim Blick auf die Verbrauchsanzeige des Bordcomputers. Mit gut neun Litern verfehlt der V60 zwar klar die Herstellerangabe im Prospekt (6,7 Liter), liegt aber immer noch unter dem Normwert des noch verfügbaren Sechszylinder-V60.

Womit wir aber auch beim eigentlichen Problem des Autos wären. Den erwähnten drei Liter großen Reihensechszylinder-Turbo bietet Volvo seit 2010 nämlich mit Bedacht ausschließlich in Kombination mit Allradantrieb an. Der neue Vierzylinder wird ihn in dieser Konfiguration Ende des Jahres beerben, bis dahin ist er aber nur mit Frontantrieb zu haben. Und kann dabei nicht voll überzeugen. Die Räder stürmen beim Anfahren so fulminant nach vorn, dass der Rest der Fuhre kaum nachkommt. Auch muss die Vorderachse in schnellen Kurven ständig mit sich ringen, wie sie nun Gas- und Lenkbefehl unter einen Hut bringen soll. Die Antriebseinflüsse in der Lenkung und die Traktionsprobleme trüben so den ansonsten souveränen Fahreindruck des V60 spürbar.

Was bei einer kompakten Krawallkiste (auch die gibt es mittlerweile in dieser Leistungsliga) vielleicht noch in Ordnung ginge, hinterlässt bei einem Premium-Cruiser mit einem Basispreis von 47.200 Euro einen leicht schalen Geschmack. Vielleicht hätte sich Volvo seinen Stolz verkneifen und mit der Markteinführung warten sollen, bis seine Ingenieure die Verbindung von neuem T6 und Allradantrieb vollendet haben.

Der Kunde muss bei dem Vorpreschen natürlich nicht mitmachen und sollte auf das Allradmodell warten. Und bis dahin schon einmal die wohl rund 2.000 Euro Aufpreis für die traktionsfördernde Technik bei Seite legen. Die Zusatzinvestition dürfte sich genauso lohnen wie der Grundstock: Denn jenseits vom Antriebsstrang ist der V60 T6 ein überzeugendes Auto mit ordentlichem, wenn auch nicht überragendem Raumangebot, umfangreicher Sicherheitsausstattung, guter Fahrwerksabstimmung und schickem Design.

So wie er grade ist, verkauft sich der V60 T6 aber unter Wert. Er zeigt, was die Motorenentwickler der Schweden können, ist aber mehr fahrbare Machbarkeitsstudie als überzeugendes Angebot in der Premium-Mittelklasse. Die wird zudem von Audis Quattro-Modellen, sowie den Hecktrieblern von BMW und Mercedes in dieser Leistungsliga schon stark bedient. Stolz ist eben nicht immer ein guter Ratgeber.

Technische Daten - Volvo V60 T6:
Fünfsitziger, fünftüriger Mittelklasse-Kombi, Länge: 4,64 Meter, Breite: 1,87 Meter (2,10 Meter mit Außenspiegeln), Höhe: 1,48 Meter, Radstand: 2,78 Meter, Kofferraumvolumen: 430 bis 1.241 Liter

2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner mit Kompressor- und Turboaufladung, Achtgang-Automatik, 225 kW/306 PS, Maximales Drehmoment: 400 Newtonmeter zwischen 2.100 und 4.500 U/min, Vmax: 230 km/h, 0-100 km/h: 6,0 Sekunden, Verbrauch: 6,7 Liter je 100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 157 g/km, Euro 6, Effizienzklasse: C, Testverbrauch: 9,2 Liter je 100 Kilometer; Preis ab 47.200 Euro.

Warum: Kultiviertheit, souveräne Kraftentfaltung - der T6 bringt alles mit, was man auch von Sechszylindern verlangen könnte
Warum nicht: Front- statt Allrad- oder Hinterradantrieb
Was sonst: Audi S4 Avant, BMW 335i Touring, Mercedes C 400 4Matic T-Modell

Der Artikel "Test: Volvo V60 T6 - Auf der Drehmomentwelle" wurde am 03.05.2015 in der Kategorie Fahrbericht von Holger Holzer/SP-X mit den Stichwörtern Test: Volvo V60 T6, Test-Bericht, Pressevorstellung, Test, Bericht, Kurztest, Vorstellung veröffentlicht.

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