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Dick und durstig - Amerika steht wieder auf Pick-Ups und Big-Blocks

21. November 2014, 15:11 Uhr
Michael Kirchberger/SP-X
Seit Öl wieder billig ist und Dank Fracking in den USA sprudelt wie lange nicht, darf wieder mit PS geprotzt werden. Das gilt in den Staaten nicht nur für Sportwagen.

Emily Fagen ist richtig aufgebracht. ,,Warum versteht ihr Europäer die Bedürfnisse der Bürger in einem so großen Land wie die Vereinigten Staaten nicht?" nörgelt sie beim Abendessen. Dabei hatte einer der Dinner-Gäste doch nur gesagt, dass man mit den Pick-Ups, den in Amerika weit verbreiteten automobilen Bestellern, meist viel überflüssiges Gewicht spazieren fährt und sich das negativ auf den Verbrauch auswirkt. Die GM-Managerin kontert: ,,Die Kunden wollen ihre Ausrüstung dann transportieren, wenn es nötig ist oder wenn sie Lust dazu haben, deshalb entscheiden sie sich für Pick-Ups." So müsse ein Motorschlitten befördert, die Heuballen zum Stall, der Pferdetrailer auf die Koppel oder das Motorboot ins Winterlager geschafft werden. Die Aufgaben des bodenständigen Provinz-Bewohners sind offenbar vielfältig.

Bei GM heißt der bestverkaufte Pick-Up Sierra, bei der Tochtermarke Chevrolet gleich nebenan auf der Los Angeles Auto Show, halten die Verkäufer das gleiche Modell unter dem Namen Silverado feilt, und der hat es immerhin bis auf Platz drei in die Hitliste der meistverkauften Autos der Vereinigten Staaten geschafft. Die wird seit Jahren angeführt vom Ford F150 - ebenfalls ein Truck, wie die Pick-Ups im Land volkstümlich genannt werden. Der ist mit seiner Artenvielfalt übrigens kaum zu schlagen. Mit sechs Motoren, mehr als zehn Gewichtsklassen, dutzenden von Karosserie-Konfigurationen und mindestens ebenso vielen Innenraum-Designs kommt man nach Ansicht von Ford auf mehr als eine Million unterschiedliche Ausführungen. Wenn das keine Maßnahme zur Individualisierung ist.

Nur einmal schaffte es in der jüngeren Geschichte eine Limousine den Ford F150 zu deklassieren. Und das war kein amerikanisches Automobil sondern der Toyota Camry, für den sich die Kunden nach der Finanzkrise und angesichts steigender Treibstoffpreise mehrheitlich entschieden haben. Dabei sind die Trucks nicht teuer. Schon für deutlich weniger als 20.000 Euro gibt es die Basismodelle, die haben dann zwar keinen Allradantrieb und geringere Nutz- und Anhängelasten, nicht nur dem Hobby-Gärtner leisten sie dennoch gute Dienste. Und kaum bei anderen  Automobilen gibt es mehr Blech fürs Geld.

Und kaum einen höheren Verbrauch. Das, was die Chrysler-Tochtermarke Dodge als Eco-Diesel mit einem sensationell niedrigen Treibstoffverbrauch führt, ist eine Dreiliter-V6-Maschine, die 11,2 Liter auf 100 Kilometer konsumiert (21 Meilen je Gallone). Aber der Diesel, so sauber er auch sein mag, kommt in Amerika immer noch nicht gut an. Deshalb bekommen die höherwertigen Pick-Ups großvolumige Benziner. Sechszylinder sind die Regel, V8-Motoren mit bis zu sechs Litern Hubraum überhaupt keine Ausnahme. Bei ihnen klettert der Verbrauch flugs in beachtliche Höhen. 16 Meilen weit kommt der Dodge Ram  HD, befeuert von einer 5,7-Liter-V8-Maschine. Das sind 14,7 Liter je 100 Kilometer. Aber nachdem die Vereinigten Staaten mit der Entdeckung des Frackings, der Gewinnung von Erdöl aus Schiefergestein, wieder in den Kreis der führenden erdölfördernden Nationen aufgestiegen sind, spielt Verbrauch zumindest in den ländlichen Regionen kaum mehr eine Rolle.

Daher halten die dicken V8-Brocken auch wieder unter den Hauben von Sportcoupés und Limousinen Einzug. Die Muskel-Ikone Corvette mit ihrer 6,6-Liter und 343 kW/466 PS ist nicht mehr die Speerspitze, Ford legte gerade eben den wiederauferstandenen Mustang als Shelby GT 350 mit 358 kW/500 PS neu auf, 5,2 Liter Hubraum reichen ihm dafür. Hoffnung macht unterdessen der Chevrolet Chaparral 2X Vision Gran Turismo mit seinem 671 kW/912 PS starken Antrieb. Denn der verbrennt kein Benzin sondern nutzt Lasertechnik um voranzukommen. Auf öffentlichen Straßen wird er mit dieser Leistung eher nicht zu sehen sein, der Ultrasportler, der jetzt auf der Los Angeles Auto Show gezeigt wurde, ist eine Nachbildung des Cyber-Rennwagens aus dem Playstation-Spiel Gran Turismo 6.

Emily Fagen hat Recht. Der amerikanische Traum ist komplizierter geworden denn je und für Europäer nicht ganz einfach zu verstehen. In den täglichen Staus der Städte stehen ohnehin die Spritfresser ganz zahm neben den verbrauchsgünstigeren Kompaktautos und Mittelklasselimousinen. ,,Aber, sagt Emily, ,,wenn ich im Stau stehe, dann doch lieber in einem großen komfortablen Auto als in einem Kleinwagen".

Der Artikel "Dick und durstig - Amerika steht wieder auf Pick-Ups und Big-Blocks" wurde am 21.11.2014 in der Kategorie News von Michael Kirchberger/SP-X mit den Stichwörtern Dick und durstig, News, veröffentlicht.

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