Fahrbericht

Road Glide Special: Mit Harley auf Tour

23. September 2014, 14:49 Uhr
Norbert Meiszies (vm)
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Harley Davidson bringt 2015 neue Touring-Modelle.

Harley Davidson bringt 2015 neue Touring-Modelle. Während es sich beim Facelift der Street Glide Special und der tiefer gelegten Electra Glide Ultra Limited Low um eher kleinere Modifikationen handelt, kommt mit der neuen Road Glide Special ein richtiger Straßenkreuzer mit hohem Show-Potential erstmals offiziell nach Deutschland.

Die Geschichte der Harley-Davidson-Touring-Motorräder ist fast so lang wie die des Unternehmens selbst. Sogenannte Full-Dresser prägten die verschiedenen Baureihen von Anfang an. Generationen von V-Twin-Motoren verrichteten in den großen Harley-Bikes ihren Dienst: Flathead, Knucklehead, Panhead, Shovelhead, Evolution, Twin Cam 88 und Twin Cam 96 kamen in der Vergangenheit in verschiedenen Fahrwerks- und Rahmenkonstruktionen in den Reisemaschinen zum Einsatz. Noch heute - trotz Easy Rider und Chopperkult - beherrschen Reisedampfer wie E-Glide, Road King und Street Glide die amerikanischen Highways. Rund 80 Prozent der in den USA verkauften Big-Twin entfallen auf dieses Segment. "Das ist unser Kerngeschäft, das sind unsere Wurzeln", erklärt Christian Arnezeder, Managing Director Harley-Davidson Germany, warum sich die Harley-Neuheiten für 2015 ausschließlich um das Thema Touring drehen.

Kein Wunder also, dass die Company ihre Bestseller hegt und pflegt. Ein wichtiger Einschnitt war 1999 das Debüt der ersten Generation des modernen Twin Cam Motors, 2009 kam ein neues, gegenüber den Vorgänger-Modellen um 67 Prozent steiferes Fahrwerk zum Einsatz. Im Modelljahr 2011 hielt der stärkere Twin Cam 103 Einzug und zwei Jahre später stellte Harley das Projekt Rushmore vor, das für rund 100 via Kundenbefragung ermittelte Modifikationen steht, die innerhalb von vier Jahren realisiert werden sollen.

In den Genuss der Rushmore-Verbesserungen kommt auch die neue FLTRXS Road Glide Special. Nachdem sie ein ganzes Jahr lang weltweit nicht erhältlich war, kehrt sie 2015 ins internationale Modell-Portfolio zurück. In Deutschland gehört sie sogar erstmals zum offiziellen Vertriebsprogramm von Harley. Denn anders als in den USA fristen die Harley-Tourer hierzulande eher ein Mauerblümchen-Dasein. "Nur 15 Prozent unserer Verkäufe entfallen auf die Tourer", sagt Arnezeder. In den internen Top Ten nehmen bis Ende September 2014 Custom-Bikes wie die Sportster Forty-Eight und die Softail Slim die ersten Plätze ein, der erste Tourer folgt mit der im vergangenen Jahr vorgestellten Street Glide im Harley-Ranking erst auf Platz sieben.

Mit der Road Glide könnten sich die Verhältnisse verschieben. Die breite, kastenförmige Frontverkleidung macht sie zum echten Hingucker. Unterhalb der getönten kurzen Windschutzscheibe prägen klassisch anmutende LED-Doppelscheinwerfer, "Daymaker" genannt, das Böser-Blick-Design. Am Heck kommen in die Blinker integrierte Brems- und Rückleuchten zum Einsatz. Individuell verstellbare Luftschlitze in der im Gegensatz zu den anderen Tourern rahmenfest verschraubten Schnauze sollen Turbulenzen und lästiges Luftwummern hinter der Front verhindern. Harley bezeichnet dies als "Beard Lift", den Bartheber, wenn der Wind ungehindert ins Gesicht bläst. Obwohl der Fahrer auf der Road Glide, bedingt durch die weit nach hinten ragenden Lenkerenden, einen enormen Abstand zur Front einnimmt und reichlich Angriffsfläche bietet, gelingt die Wetterberuhigung ausgesprochen gut. Verwirbelungen spürt der Fahrer selbst bei Highway-Tempo kaum.

Dabei blickt er auf ein Instrumentenbrett, das jeden DJ neidisch werden lässt. Serienmäßig verbaut ist neben den analogen Rundinstrumenten für Geschwindigkeit und Drehzahl das Infotainmentsystem Boom! Box 6.5 GT, über dessen 6,5 Zoll großes Touchscreen sowohl Navi wie auch die Soundanlage gesteuert wird. Die lautstark aus den beiden riesigen Lautsprechern erklingenden Töne kündigen die Road Glide schon frühzeitig an jeder Ampel an. Selbstverständlich können Smartphone und Kommunikationsanlage über Bluetooth oder USB angeschlossen werden.

Der Motor ist der gleiche wie in der Street Glide. Mit 64 kW/87 PS und einem maximalen Drehmoment von 138 Nm bei 3 500 U/min stellt der Twin Cam 103 ausreichend Kraft bereit. Das luftgekühlte, 1 690 Kubikzentimeter große Triebwerk ist schwingungsentkoppelt aufgehängt sowie über eine hydraulisch betätigte Kupplung an das Sechsganggetriebe Cruise Drive gekoppelt. Neben einem elektronischen Gasgriff, der Bowdenzüge erübrigt, kommt eine elektronische Geschwindigkeitsregelanlage zum Einsatz. Bis etwa 3 000/min sorgt der Motor für ein unangestrengtes Cruiser-Feeling, darüber hinaus hat man das Gefühl, es würde der Turbo gezündet. Dann öffnet sich nämlich die zur Geräuschreduzierung verbaute Klappe in der Auspuffanlage und macht den Weg frei für echten Harley-Sound.

Sitzt der Fahrer auf der Street Glide nahe am Vorderrad, so kommt er sich auf der Road Glide leicht entkoppelt vor. Der weit nach hinten ragende Lenker unterstützt zwar die entspannt-aufrechte Cruiser-Haltung, gewöhnen muss man sich jedoch an den größeren Lenkeinschlag, was vor allem bei schnell aufeinander folgenden Kurven und bei Wendemanövern auffällt. Für die Verzögerung ist die aus dem Rushmore-Projekt hervorgegangene elektronische Reflex-Bremskraftverteilung mit ABS zuständig, die ab einer Geschwindigkeit von ca. 40 km/h die Bremskräfte optimal dosiert. Dabei werden immer 30 Prozent der eingesetzten Bremskraft auf das jeweils andere Rad verteilt, egal, ob man Hand-, Fuß- oder beide Bremsen gleichzeitig betätigt. So einfach und effektiv hat man eine Harley noch nie zum Stillstand gebracht.

Mit der Road Glide Special bietet Harley-Davidson all jenen Fahrern eine tourentaugliche Alternative an, denen die E-Glide zu überladen, die Road King zu brav und die Street Glide zu unscheinbar sind. Auf der Road Glide fühlt man sich dagegen wie in einem amerikanisches Straßenkreuzer aus den 70er-Jahren, cool den Ellbogen aus dem Fenster gestreckt und neidische Blicke der Fußgänger auf sich ziehend. Der Showeffekt hat allerdings seinen Preis, 25 785 Euro muss einem der hohe Grad der Aufmerksamkeit schon wert sein.

Norbert Meiszies/mid

Technische Daten

Motor: luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt 45-Grad V-Twin, zwei unten liegende, per Zahnkette angetriebene Nockenwellen, zwei Ventile pro Zylinder, Einspritzung, 1 690 ccm, Bohrung x Hub 98,4 x 111,1 mm, 64 kW/87 PS bei 5 010/min, 138 Nm bei 3 500/min, Euro 3, Sechsganggetriebe, Sekundärantrieb Zahnriemen

Fahrwerk: Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen, Telegabel 49 mm, Stahl-Zweiarmschwinge, zwei Federbeine hinten, ABS mit elektr. Bremskraftverteilung, zwei Scheibenbremsen vorne 300 mm, eine Scheibenbremse hinten 300 mm, Federweg vorne 117 mm, Federweg hinten 54 mm, Reifen vorne 130-60 B19, Reifen hinten 180-65 B16

Maße und Gewichte: L/B/H 2 430/980/1 310 mm, Leergewicht 385 kg, Tankinhalt 22,7 l, Radstand 1625 mm, Sitzhöhe 695 mm, Höchstgeschwindigkeit 175 km/h

Der Artikel "Road Glide Special: Mit Harley auf Tour" wurde am 23.09.2014 in der Kategorie Fahrbericht von Norbert Meiszies (vm) mit den Stichwörtern Motorrad, Fahrbericht, Präsentation, Test-Bericht, Pressevorstellung, Test, Bericht, Kurztest, Vorstellung veröffentlicht.

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